Archer Jeffrey
besten gaben. Doch damit endete der Vergleich, denn das Essen war viel besser, als Charlie es je in Schottland bekommen hatte.
»Wo ist Daphne?« fragte Becky, als ein großes Stück
Apfelkuchen mit viel Sahne vor sie gestellt wurde.
»Am oberen Tisch mit den ‘oberen Offizieren.« Charlie
deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Kann sich’s wohl
nicht leisten, mit unseresgleichen gesehen zu werden, hm?« Nach dem Dinner folgte eine Reihe von Trinksprüchen; alle
möglichen Leute ließ man hochleben, wie Becky schien, nur
den König nicht. Charlie erklärte ihr, daß König William IV.
das Regiment 1835 vom Pflichttrunk auf den König entbunden hatte, da die Treue der Füsiliere gegenüber der Krone außer Zweifel stand. Die Gläser wurden auf die Truppen gehoben, auf jedes Bataillon einzeln und schließlich auf das ganze Regiment und seinen früheren Kommandeur, und jeder Trinkspruch endete mit tosendem Beifall. Becky beobachtete die Reaktionen der Männer an ihrem Tisch, und ihr wurde zum erstenmal bewußt, wie viele von ihnen sich glücklich schätzen
konnten, daß sie mit dem Leben davongekommen waren. Der ehemalige Regimentskommandeur, Sir Danvers
Hamilton, Baronet, Träger des Kriegsverdienstordens und
Komtur des Ordens vom Britischen Empire, angetan mit
seinem unvermeidlichen Monokel, hielt eine ergreifende Rede
über alle Kameraden, die aus verschiedenen Gründen an
diesem Abend nicht teilnehmen konnten. Becky entging nicht,
daß Charlie bei der Erwähnung seines Freundes Tommy
Prescott erstarrte. Schließlich erhoben sich alle und tranken auf
abwesende Freunde. Becky stellte überrascht fest, daß sie
gerührt war.
Sobald der Colonel wieder Platz genommen hatte, wurden
die Tische an eine Seite gerückt, damit getanzt werden konnte.
Und als die Regimentskapelle den ersten Akkord anschlug,
kam Daphne vom anderen Ende der Halle herbei.
»Komm, Charlie. Ich hatte keine Lust zu warten, bis du dich
am oberen Tisch sehen läßt.«
»Es ist mir eine Ehre, Madam.« Charlie stand auf. »Aber
was ist mit Reggie Wie-’eißt-er-doch-gleich?«
»Arbuthnot. Er klebt an einer Debütantin aus Chelmsford.
Und sie ist schrecklich, das darfst du mir glauben.«
»Was ist denn so schrecklich an ihr?« fragte Charlie. »Ich hätte nie gedacht, daß ich den Tag erleben muß«,
antwortete Daphne, »an dem Seine Majestät zuläßt, daß jemand
aus Essex am Hof vorgestellt wird! Aber schlimmer noch ist
ihr Alter!«
»Warum? Wie alt ist sie denn?« fragte Charlie, während er
Daphne beim Walzer drehte.
»Ich bin mir nicht ganz sicher, aber sie hatte den Nerv, mir
ihren verwitweten Vater vorzustellen.«
Charlie lachte laut auf.
»Du sollst es nicht komisch finden, Charles Trumper,
sondern Mitgefühl zeigen! Du hast wirklich noch eine Menge
zu lernen!«
Becky beobachtete Charlie, der Daphne gewandt im
Dreivierteltakt führte. »Diese Daphne is’ in Ordnung«, sagte
der Mann neben ihr, der sich ihr als Sergeant Mike Parker
vorgestellt hatte und, wie sie noch erfuhr, ein Metzger aus
Camberwell war, der mit Charlie an der Marne gekämpft hatte.
Sie akzeptierte seine Bemerkung kommentarlos, und als er sich
kurz danach vor ihr verbeugte und um die Ehre des nächsten
Tanzes bat, wollte sie ihm keinen Korb geben. Er schwang sie
auf der Tanzfläche herum, als wäre sie eine Hammelkeule auf
dem Weg in die Kühlkammer. Das einzige, was ihm wirklich
gelang, war, ihr im Rhythmus der Musik in regelmäßigen
Abständen auf die Zehen zu trampeln. Becky war froh, als er
sie an den bierüberschwemmten Tisch zurückbrachte. Stumm
beobachtete sie, wie alle anderen sich amüsierten, und sie
hoffte, daß nicht noch einmal jemand sie um die Ehre eines
Tanzes bitten würde. Ihre Gedanken waren bei Guy und dem
Termin, den sie nicht länger aufschieben durfte, wenn nicht in
den nächsten zwei Wochen …
Glücklicherweise waren Charlies Freunde mehr an endlosen
Runden Bier interessiert als am Tanzen, so hatte Becky ihre
Ruhe, bis ein hochgewachsener Mann sich vor ihr verbeugte
und fragte: »Darf ich um die Ehre dieses Tanzes bitten, Miss?« Alle rund um den Tisch sprangen auf und nahmen Haltung
an, bis der ehemalige Regimentskommandeur Becky auf die
Tanzfläche geführt hatte.
Sie stellte fest, daß Colonel Hamilton ein ausgezeichneter
Tänzer war und amüsant zu plaudern verstand, ohne daß er irgendwie gönnerhaft gewirkt hätte wie alle diese Bankiers, mit denen sie kürzlich verhandelt hatte. Als der Tanz endete, lud er Becky an den oberen Tisch
Weitere Kostenlose Bücher