Archer Jeffrey
Unterschied machte, ob man sich als interessierter Käufer vorstellte oder als möglicher Kreditnehmer. Jedesmal wenn sie ihre Vorhaben dargelegt hatte – in den meisten Fällen Angestellten, die gar nicht eigenmächtig Entscheidungen treffen konnten –, erhielt sie lediglich ein ablehnendes Kopfschütteln als Antwort, und das sogar in der Bank, die bereits das Trumpersche Konto verwaltete. Sie erzählte Daphne an diesem Abend verärgert, daß ein kleiner Angestellter der Penny Bank sich sogar die Unverschämtheit erlaubt hatte, ihr zu versichern, wenn sie einmal verheiratet wäre, würde die Bank gewiß gern in Geschäftsverbindung mit ihrem Gatten treten.
»Du bist wohl zum erstenmal mit der Welt der Männer konfrontiert worden?« fragte Daphne und ließ ihre Zeitschrift sinken. »Weißt du denn nichts von ihren Cliquen, ihren Clubs? Der Platz der Frau ist in der Küche, und wenn sie einigermaßen attraktiv ist, manchmal auch im Bett.«
Becky nickte düster.
»Das ist eine Einstellung, die mich eigentlich nie weiter gestört hat, wie ich zugeben muß«, gestand Daphne und plagte sich in modisch spitze Schuhe. »Aber ich war ja im Gegensatz zu dir auch nie übermäßig ehrgeizig, meine Liebe. Vielleicht ist es an der Zeit, daß ich dir wieder einmal einen Rettungsring zuwerfe.«
»Einen Rettungsring?«
»Ja. Was du zur Lösung deines Problems brauchst, ist eine alte Schulkrawatte.«
»Würde sie an mir nicht etwas albern aussehen?«
»Wahrscheinlich würde sie dir sogar sehr gut stehen, aber darum geht es nicht. Das Dilemma ist offenbar dein Geschlecht, und von Charlies Cockney-Akzent wollen wir gar nicht erst reden, obwohl ich den lieben Jungen davon schon fast befreit habe. Etwas ist jedenfalls sicher, es gibt noch keine Möglichkeit, jemandes Geschlecht zu ändern.«
»Worauf willst du hinaus?« fragte Becky ahnungslos.
»Du bist so ungeduldig, Liebes; genau wie Charlie. Du mußt uns gewöhnlichen Sterblichen schon ein bißchen mehr Zeit gönnen, unsere Gedanken in Worte zu fassen.«
Becky setzte sich in die Sofaecke und legte die Hände in den Schoß.
»Erst mußt du dir bewußt werden, daß alle Bankiers schreckliche Snobs sind«, fuhr Daphne fort. »Wenn nicht, wären sie da draußen wie du und würden ihre eigenen Geschäfte führen. Damit sie dir aus der Hand fressen, brauchst du einen respektablen Strohmann.«
»Strohmann?«
»Ja. Jemanden, der dich zur Bank begleitet, wann immer es erforderlich ist.« Daphne stand auf und musterte sich im Spiegel, dann fuhr sie fort. »Dieser Jemand braucht nicht unbedingt deinen gesegneten Verstand, solange er keine Frau ist und nicht Charlies Dialekt hat. Was er jedoch unbedingt braucht, ist die Krawatte einer vornehmen Schule und möglicherweise einen Adelstitel. Bankiers haben gern adlige Kunden. Wichtig ist aber vor allem, daß du dir jemanden suchst, der Geld gut brauchen kann. Für geleistete Dienste, verstehst du?«
»Solche Leute gibt es?« fragte Becky ungläubig.
»Und ob! Tatsächlich gibt es mehr von ihrer Sorte als von der, die regelmäßig arbeitet.« Daphne lächelte sie zuversichtlich an. »Warte ein oder zwei Wochen, dann habe ich drei zur Auswahl für dich.«
»Du bist einmalig!«
»Dafür erwarte ich allerdings einen kleinen Gefallen von dir.«
»Ich tue alles für dich.«
»Versprich das nie jemandem wie mir, Liebes. In diesem Fall ist es allerdings nichts, was dir schwerfallen dürfte. Wenn Charlie dich bittet, ihn zu seinem Regimentsdinner und Ball zu begleiten, dann sag ja.«
»Warum?«
»Weil Reggie Arbuthnot so dumm gewesen war, mich dazu einzuladen, und ich kann nicht nein sagen, wenn ich im November zur Pirsch auf seinem Landsitz in Schottland eingeladen werden möchte.« Becky lachte, als Daphne hinzufügte: »Ich habe ja nichts dagegen, mit Reggie auf den Ball zu gehen, aber viel, ihn mit ihm zu verlassen. Also, wenn wir uns einig sind, besorge ich dir den nötigen Baron, und du brauchst bloß ja zu sagen, wenn Charlie dich einlädt.«
Charlie war nicht überrascht, als Becky sich ohne Zögern einverstanden erklärte, mit ihm den Ball zu besuchen. Immerhin hatte Daphne ihm bereits die Einzelheiten der Transaktion erklärt. Aber es gefiel ihm überhaupt nicht, daß die anderen Sergeanten, mit denen sie am Tisch saßen, Becky den ganzen Abend mit den Blicken fast verschlangen.
Das Dinner fand in einem riesigen Turnsaal statt, was dazu führte, daß Charlies Kameraden eine Geschichte nach der anderen von ihrer Grundausbildung in Edinburgh zum
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