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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Aufstieg
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zu
sich selbst.
»Was meinten Sie, Miss?«
Becky wirbelte herum und sah einen Schutzmann, der am
Türknopf von 133 rüttelte, um sich zu vergewissern, daß auch
wirklich zugesperrt war.
»Oh, guten Abend, Wachtmeister«, grüßte Becky verlegen
und grundlos schuldbewußt.
»Es ist fast zwei Uhr morgens, Miss.«
»Oh, wirklich?« Becky blickte auf ihre Uhr. »Tatsächlich.
Wissen Sie, ich wohne hier.« Sie hielt eine Erklärung für
angebracht und fügte hinzu: »Ich konnte nicht schlafen und
dachte, vielleicht würde mir ein Spaziergang guttun.« »Dann sollten Sie zur Polizei gehen. Da wird man Sie gern
die ganze Nacht auf Streife schicken.«
Becky lachte. »Nein, danke. Ich gehe lieber zurück und
versuche noch einmal zu schlafen. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Miss.« Der Polizist berührte seinen Helm in
einem angedeuteten Salut, ehe er nachsah, ob auch der
Hutladen zugesperrt war.
Becky drehte sich um und marschierte entschlossen die
Chelsea Terrace zurück, öffnete ihre Haustür, stieg die Treppe
zur Wohnung hinauf, zog den Mantel aus und ging direkt zu
dem kleinen Schreibtisch zurück. Sie überlegte nur einen
Augenblick, bevor sie nach dem Federhalter griff und zu
schreiben anfing.
Jetzt flossen die Worte, weil sie nun genau wußte, was
gesagt werden mußte.
    Chelsea Terrace 97 London SW 3
     
    21. Mai 1920
    Lieber Guy,
ich habe mir hunderterlei verschiedene Fassungen dieses
Briefs ausgedacht, um Dich wissen zu lassen, was mit mir
geschehen ist, seit Du nach Indien abgereist bist. Schließlich
wurde mir klar, daß ich Dir am besten die Wahrheit sage, ohne
groß drum herum zu reden.
Ich bin inzwischen fünfzehn Wochen mit Deinem Kind
schwanger. Das erfüllt mich mit Glück, aber wie ich gestehen
muß, habe ich auch ein ungutes Gefühl dabei. Glück, weil Du
der einzige Mann bist, den ich je liebte, und das ungute Gefühl,
weil diese Neuigkeit Deiner Zukunft im Regiment abträglich
sein könnte.
Ich möchte Dir versichern, daß ich nicht die Absicht habe,
Deiner Laufbahn zu schaden, indem ich darauf bestehe, daß Du
mich heiratest. Eine Verpflichtung, die möglicherweise nur aus
einem Schuldgefühl heraus eingehalten würde und Dich
zwänge, aufgrund dessen, was sich bei einer einzigen Gelegenheit zwischen uns ergeben hat, den Rest Deines Lebens
zu heucheln, wäre gewiß untragbar für uns beide.
Ich mache kein Geheimnis aus meiner Liebe zu Dir, aber
wenn Du sie nicht erwiderst, möchte ich nicht daran schuld
sein, daß eine so vielversprechende Laufbahn auf dem Altar
der Heuchelei geopfert wird.
Aber, mein Liebling, sei meiner uneingeschränkten Liebe zu
Dir versichert und meines bleibenden Interesses an Deinem
künftigen Wohlergehen, selbst wenn ich Deine Vaterschaft
verleugnen muß, falls es das sein sollte, was Du möchtest. Guy, ich werde Dich immer lieben, egal, welche
Entscheidung Du treffen magst.
    Alles Liebe Becky
    Sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten, als sie den Brief wieder und wieder durchlas. Sie war dabei, ihn zusammenzufalten, als die Schlafzimmertür aufschwang und Daphne verschlafen herauskam.
    »Ist dir nicht gut?« fragte sie besorgt.
»Nur ein bißchen übel«, erklärte Becky. »Ich dachte, ein kurzer Spaziergang in der frischen Luft würde mir helfen.« Sie steckte den Brief in einen noch unadressierten Umschlag.
»Trinkst du eine Tasse Tee mit mir, da ich schon mal aufbin?« fragte Daphne.
»Nein, danke, lieber nicht, ich habe bereits drei Tassen getrunken.«
»Schade. Aber ich werde mir welchen machen.« Daphne verschwand in der Küche. Sofort langte Becky wieder nach dem Federhalter und adressierte den Umschlag an:
Captain Guy Trentham
2nd Battalion Royal Fusiliers Wellington Barracks
Poona
India
    Sie hatte die Wohnung verlassen, den Brief in dem Briefkasten an der Ecke der Chelsea Terrace eingeworfen und war zurück, noch ehe das Wasser im Kessel kochte.
    Von seiner Schwester Sal in Kanada erhielt Charlie dann und wann einen Brief, vor allem, wenn sie ihm mitteilte, daß er wieder eine Nichte oder einer Neffen bekommen hatte; und hin und wieder, wenn ihr Dienst im Krankenhaus es erlaubte, besuchte ihn Grace – doch ein Besuch von Kitty war eine Seltenheit. Und wenn sie kam, dann immer aus dem gleichen Grund.
    »Ich brauch’ bloß zwei Pfund, Charlie, nur um über die Runden zu kommen«, sagte sie, als sie sich, gleich nachdem sie eingetreten war, in den einzigen bequemen Sessel fallen ließ.
    Charlie starrte seine Schwester an. Obwohl sie nur knapp zwei Jahre älter war

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