Archer, Jeffrey
Wahltag herankam, war Florentynas Kopf mit Fakten und Zahlen vollgestopft, die sie nicht genau verstand, jedoch siegessicher machten. Nur ein unlösbares Problem machte ihr Sorgen: Edward war größer als sie.
Florentyna hielt das für einen absoluten Vorteil, da sie irgendwo gelesen hatte, daß siebenundzwanzig der zweiunddreißig Präsidenten der Vereinigten Staaten größer gewesen seien als ihre Rivalen.
Die beiden Kandidaten entschieden durch Münzwurf, wer zuerst reden durfte. Florentyna gewann und sprach als erste; ein Fehler, den sie nie mehr im Leben beging. Das kleine zarte Mädchen stellte sich vor die Klasse und dachte an Miss Tredgolds letzten Rat – »Steh gerade, mein Kind. Du bist kein Fragezeichen.«
Kerzengerade stand sie in der Mitte der erhöhten Plattform vor Miss Evens Pult und wartete auf das Zeichen zum Beginn. Die ersten Sätze kamen leise und gepreßt. Sie erklärte, wie sie den Staatshaushalt einteilen wollte, und versprach, die Vereinigten Staaten nicht in den Krieg zu führen. »Kein Amerikaner soll sterben, weil die Länder Europas nicht in Frieden leben können«, verkündete sie – ein Satz aus einer von Roosevelts Reden, den sie auswendig gelernt hatte. Mary Gill applaudierte.
Florentyna beachtete sie nicht und fuhr fort zu sprechen, während sie nervös und mit feuchten Händen an ihrem Kleid zupfte. Die letzten Sätze sagte sie sehr rasch und setzte sich unter viel Beifall und Lächeln wieder nieder.
Edward Winchester stand auf und ging unter dem Applaus einiger seiner Freunde zur Tafel. Florentyna merkte, daß manche Schüler sich bereits vor den Wahlreden entschieden hatten. Edward sagte seinen Kameraden, daß ein Sieg für sein Land nichts anderes sei als ein Sieg im Fußball, und überhaupt stehe Willkie für alles, woran ihre Eltern glaubten. Wollte jemand gegen die Wünsche der Väter und Mütter stimmen, die alles verlieren würden, wenn man F.D.R. unterstützte? Diese Behauptung erntete viel Beifall, also wiederholte er sie.
Am Schluß erntete Edward ebenfalls Applaus, Florentyna aber redete sich ein, daß er nicht lauter war als nach ihrer Rede.
Miss Evans gratulierte beiden Kandidaten und forderte die siebenundzwanzig Stimmberechtigten auf, eine Seite aus dem Heft zu reißen und darauf Edwards oder Florentynas Namen zu schreiben, je nachdem, wen sie zum Präsidenten haben wollten.
Federn wurden in die Tinte getaucht; die Kinder schrieben eifrig. Die gefalteten Stimmzettel erhielt Miss Evans.
Langsam begann sie die Papiere auseinanderzufalten und in zwei Stöße zu teilen, eine Prozedur, die Stunden zu dauern schien. Während der Auszählung war die ganze Klasse mäuschenstill – ein ungewöhnliches Ereignis.
Langsam und sorgfältig zählte Miss Evans die Stimmzettel, und dann folgte eine Kontrollzählung.
»Unsere Wahl ergab…« – Florentyna hielt den Atem an
-»… dreizehn Stimmen für Edward Winchester« – beinahe hätte Florentyna laut aufgejubelt, sie hatte gewonnen –
»… und zwölf Stimmen für Florentyna Rosnovski. Zwei Zettel wurden nicht ausgefüllt, das nennt man Stimmenthaltung.«
Florentyna traute ihren Ohren nicht. »Daher ist Edward Winchester, der Wendell Willkie verkörpert, der neue Präsident.«
Es war die einzige Wahl, die F.D.R. in diesem Jahr verlor. Florentyna aber konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen; sie lief schnell in die Garderobe, damit niemand sah, daß sie weinte. Als sie wieder erschien, wurde sie von Mary Gill und Susie Jacobson erwartet.
»Es macht nichts«, sagte Florentyna und versuchte tapfer zu sein. »Wenigstens weiß ich, daß ihr beide mich unterstützt habt.«
»Das konnten wir nicht.«
»Warum nicht?« fragte Florentyna fassungslos.
»Miss Evans darf nicht erfahren, daß wir nicht wissen, wie dein Name geschrieben wird.«
Siebenmal hörte Miss Tredgold die Geschichte auf dem Heimweg, dann erkundigte sie sich, ob Florentyna etwas aus dieser Erfahrung gelernt habe.
»Oh doch«, erwiderte Florentyna mit Bestimmtheit. »Ich werde einen Mann mit einem sehr einfachen Namen heiraten.«
Als Abel abends die Geschichte hörte, lachte er laut und erzählte sie Henry Osborne während des Dinners. »Lassen Sie das Mädchen nicht aus den Augen. Bald wird sie Ihnen Ihren Sitz im Kongreß streitig machen.«
»Es bleiben mir noch fünfzehn Jahre, bis sie wahlberech-tigt ist. Dann werde ich ihr meinen Wahlkreis bereitwillig überlassen.«
»Was unternehmen Sie, um den Ausschuß für Auslands-beziehungen
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