Archer, Jeffrey
Verbindungen spielen hatte lassen, gelang es ihm, in der Fifth Army unter General Mark Clark Generalquartiermeister zu werden. Die Fifth Army wartete darauf, in Afrika eingesetzt zu werden. Abel nahm sofort an einem Ausbildungskursus für Offiziere teil.
Erst als Abel Rigg Street verlassen hatte, wurde Miss Tredgold klar, wie sehr Florentyna ihren Vater vermißte.
Sie versuchte dem Kind einzureden, daß der Krieg nicht lang dauern würde, obwohl sie ihren eigenen Worten nicht glaubte. Miss Tredgold war zu gut beschlagen in Geschichte.
Schlanker und jünger aussehend kehrte Abel als Major aus der Offiziersschule zurück; Florentyna aber wollte ihren Vater nicht in Uniform sehen, denn soviel sie wußte, verließ jeder, der eine Uniform trug, Chicago und kehrte nicht mehr zurück. Im Februar sagte ihr Abel Lebewohl und fuhr von New York an Bord der S. S, Borinquen ab.
Die siebenjährige Florentyna war überzeugt, daß es ein Abschied für immer war, obwohl ihr Zaphia versicherte, daß Papa sehr bald zurückkehren werde.
Zaphia glaubte es ebensowenig wie Miss Tredgold – und diesmal glaubte es auch Florentyna nicht.
Florentyna stieg in die vierte Klasse auf und wurde Klassensekretärin; das bedeutete, daß sie genaue Aufzeichnungen über die Klassenzusammenkünfte führen mußte. Wenn sie der Klasse jede Woche ihren Bericht vorlas, war keine der Mitschülerinnen sonderlich interessiert; aber in der Hitze und dem Staub von Algier las Abel, halb lachend, halb zu Tränen gerührt, jede Zeile dieser Berichte, als wären sie der letzte Bestseller.
Florentynas neueste, von Miss Tredgold gebilligte Leidenschaft waren die Brownies, die Pfadfinderinnen; so konnte sie, wie ihr Vater, eine Uniform tragen. Nicht nur, daß ihr die hübsche braune Uniform Spaß machte – sie kam auch bald darauf, daß sie am Ärmel verschiedene bunte Abzeichen tragen konnte, und zwar für so unterschiedliche Tätigkeiten wie Küchenhilfe oder das Sammeln von gebrauchten Briefmarken. So rasch bekam sie ein Abzeichen nach dem anderen, daß Miss Tredgold fortwährend damit beschäftigt war, einen Platz zu suchen, um es anzunähen. Kochen, Turnen, Tierpflege, Handarbei-ten, Briefmarken, Wanderungen – für alles gab es Abzeichen. »Es wäre einfacher, wenn du ein Oktopus wärst«, sagte Miss Tredgold. Schließlich aber kam der Tag, an dem ihr Schützling ein Abzeichen für Näharbeiten erhielt und sich das kleine Dreieck selbst annähen mußte.
Miss Tredgold war erleichtert.
Als Florentyna in die fünfte Klasse kam, wurden Jungen-und Mädchenklassen zusammengelegt. Edward Winchester wurde, vor allem aufgrund seiner sportlichen Leistungen, zum Präsidenten gewählt, während Florentyna ihre Stellung als Sekretärin behielt, obwohl sie bessere Noten hatte als alle anderen, einschließlich Edward. Ihre einzigen Klippen waren Geometrie, wo sie nur Zweitbeste wurde, und Zeichnen. Miss Tredgold las immer mit großem Vergnügen Florentynas Schulbeschreibungen, insbesondere die Bemerkungen der Zeichenlehrerin:
»Wenn Florentyna die Farben mehr auf das Papier als auf ihre Umgebung verteilte, hätte sie vielleicht Chancen, eine Künstlerin zu werden und nicht ein Malermeister.«
Doch der Satz, den Miss Tredgold zitierte, wenn man sie nach Florentynas Fortschritten fragte, stammte vom Klassenvorstand. »Diese Schülerin sollte nicht weinen, wenn sie einmal nur Zweitbeste ist.«
Die Monate verstrichen, und Florentyna stellte fest, daß die Väter vieler ihrer Mitschüler im Krieg waren; sie war nicht die einzige, die sich mit einer Trennung abfinden mußte. Miss Tredgold ließ Florentyna Ballett- und Klavierstunden nehmen, ja sie erlaubte ihr sogar, Eleanor als Gebrauchshund zum K-9 Corps mitzunehmen, doch der Labrador wurde wegen seines Hinkens wieder nach Hause geschickt; Florentyna wünschte, es würde ihrem Vater ebenso ergehen. In den Sommerferien reiste Miss Tredgold mit dem Mädchen, mit Zaphias Einwilligung, nach New York und Washington. Zaphia nutzte die Abwesenheit ihrer Tochter, um sich in Organisationen, die von der Front zurückkehrende polnische Soldaten betreuten, zu betätigen.
Obwohl sie Eleanor nicht mitnehmen konnte, war Florentyna von ihrer ersten Reise nach New York fasziniert. Da gab es Wolkenkratzer und Warenhäuser, es gab den Central Park und mehr Menschen, als sie je in ihrem Leben gesehen hatte. Trotz all dieser Sensationen aber zog es Florentyna nach Washington. Es war Florentynas und auch Miss Tredgolds erster Flug, und
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