Archer, Jeffrey
Kunden wollten Gianni di Ferrantis Kleider, daß sie die meiste Zeit damit verbrachte, nach geeigneten Geschäftslokalen zu suchen.
1966 gab es nur noch eine große Stadt, die keinen
»Florentyna«-Laden hatte, und es konnte Jahre dauern, meinten die Kanes, bevor sie auf der einzigen Avenue, die für ein »Florentyna New York« in Frage kam, ein geeignetes Lokal finden würden.
21
»Du bist ein starrköpfiger alter Narr, Abel.«
»Ich weiß, aber jetzt kann ich mich nicht mehr ändern.«
»Jedenfalls wird mich nichts und niemand zurückhalten, die Einladung anzunehmen.«
Abel sah auf. Er lag im Bett, seit einer schweren Grippe vor sechs Monaten hatte er das Penthouse kaum verlassen.
Nach seiner Rückkehr aus Polen stellte George praktisch seine einzige Verbindung mit der Außenwelt dar. Abel wußte, daß sein Freund recht hatte, und gab zu, daß die Einladung verlockend war. Ob Kane hinging? Er hoffte es, hatte jedoch seine Zweifel; der alte Mann war ebenso starrköpfig wie er selbst…
George erriet Abels Gedanken. »Ich möchte wetten, daß William Kane dort ist.«
Abel lenkte ab. »Hast du die endgültigen Ziffern für Warschau?«
»Ja«, erwiderte George scharf, ärgerlich, daß Abel das Thema wechselte. »Alle Verträge sind unterzeichnet, und John Gronowski erwies sich als überaus hilfreich.«
John Gronowski, der erste polnische Botschafter in Warschau, dachte Abel. Er würde es nie verwinden, daß…
»Auf deiner Polenreise hast du alles erreicht, was du wolltest. Eines Tages wirst du die Eröffnung des Warschauer Baron-Hotels erleben.«
»Ich habe mir immer gewünscht, Florentyna soll es eröffnen«, sagte Abel leise.
»Dann lade sie ein, aber erwarte kein Mitleid von mir.
Du brauchst nur Richards Existenz zur Kenntnis zu nehmen, das ist alles. Selbst du mußt inzwischen eingesehen haben, daß ihre Ehe glücklich ist, sonst stünde das hier nicht auf dem Kaminsims.«
An einer Vase lehnte eine unbeantwortete Einladung.
Als Florentyna Kane ihre Boutique auf der Fifth Avenue eröffnete, schien ganz New York anwesend zu sein. In einem grünen, eigens für sie entworfenen Kleid mit den jetzt berühmten zwei Fs am Stehkragen, stand Florentyna nahe dem Eingang, begrüßte die Gäste und bot ihnen Champagner an. Katherina Kane, von ihrer Tochter Lucy begleitet, gehörte zu den ersten Gästen, und bald füllte sich das Geschäft mit Menschen, die Florentyna entweder sehr gut oder gar nicht kannte. Ein bißchen später kam George Novak, und seine erste Bitte machte Florentyna große Freude; er bat, den Kanes vorgestellt zu werden.
»Kommt Mr. Rosnovski später?« fragte Lucy unschuldig.
»Leider nicht«, erwiderte George, »ich sagte ihm, er sei ein störrischer alter Narr, eine so tolle Party zu versäumen.
Ist Mr. Kane hier?«
»Nein, er fühlt sich in letzter Zeit nicht wohl und geht fast nie mehr aus«, sagte Kate, und dann vertraute sie George eine Neuigkeit an, die ihn beglückte.
»Wie geht es meinem Vater?« flüsterte Florentyna in Georges Ohr.
»Nicht sehr gut, Florentyna. Vielleicht, wenn er erfährt, daß du heute abend…«
»Vielleicht«, sagte Florentyna. Sie nahm Kate am Arm und machte sie mit Zaphia bekannt. Einen Moment schwiegen die beiden alten Damen, dann sagte Zaphia:
»Es ist schön, Sie endlich kennenzulernen. Ist Ihr Mann auch hier?«
Der Raum wurde so voll, daß man sich kaum bewegen konnte; das Geplauder und Gelächter bewiesen Florentyna den Erfolg der Vernissage, doch jetzt beschäftigte sie nur eines: das Dinner heute abend.
An der Ecke der 56. Straße hatte sich eine neugierige Menschenmenge angesammelt, und der Verkehr auf der Fifth Avenue kam fast zum Stillstand, als Männer und Frauen, jung und alt, durch die großen Glasscheiben lugten.
Auf der anderen Straßenseite in einem Haustor stand ein Mann. Er trug einen schwarzen Mantel, um den Hals einen Schal und einen Hut, den er tief ins Gesicht gezogen hatte.
Es war ein kalter Abend, und der Wind blies über die Fifth Avenue. Kein Tag für alte Männer, dachte er. Ob es klug war, die behagliche Wärme des Bettes zu verlassen? Doch nichts konnte ihn davon abhalten, die Eröffnung dieses Geschäftes mitanzusehen. Er spielte mit dem silbernen Armreif und dachte an die Neufassung seines Testaments; das Erbstück würde nicht an seine Tochter gehen, wie er einmal versprochen hatte.
Der alte Mann lächelte, als die jungen Leute in das schicke Geschäft strömten. Durch die Scheibe sah er, wie sich seine
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