Archer, Jeffrey
Florentyna war überzeugt, daß dies der Durchbruch war, auf den sie gewartet hatte. In ihrem Bemühen, Gianni zu überreden, vergaß sie sogar, daß das gefürchtete Treffen mit Richards Vater in sechs Tagen stattfinden sollte.
Florentyna und Richard saßen am Montagmorgen beim Frühstück, als sein Gesicht fahl wurde; Florentyna glaubte, er würde in Ohnmacht fallen.
»Was ist los mit dir, Liebling?«
Er wies auf die erste Seite des Wall Street Journal, unfähig, ein Wort hervorzubringen. Florentyna las die Mitteilung und gab Richard die Zeitung zurück. Um ganz sicher zu gehen und die Notiz in ihrer vollen Tragweite zu verstehen, las er sie ein zweites Mal. Die lakonische Kürze war erschütternd: »William Lowell Kane, Präsident und Vorsitzender der Lesterbank, trat am Freitag nach einer Aufsichtsratssitzung zurück.«
Richard wußte, daß dieser plötzliche Abgang ohne Erklärung, ohne die Andeutung einer Krankheit, von Wall Street nur negativ ausgelegt werden konnte, insbesondere, da Kanes einziger Sohn nicht aufgefordert wurde, seinen Platz zu übernehmen. Er legte die Arme um Florentyna und preßte sie eng an sich.
»Heißt das, unsere Reise nach New York findet nicht statt?«
»Nur, wenn dein Vater die Ursache war.«
»Das kann nicht sein – es darf nicht sein, nicht, nachdem ich so lange darauf gewartet habe.«
Das Telefon klingelte, und Richard hob ab, ohne Florentyna loszulassen.
»Hallo Richard. Hier spricht deine Mutter. Ich habe die ganze Zeit versucht, von zu Hause wegzukommen. Hast du die Nachricht gelesen?«
»Ja, soeben im Wall Street Journal. Warum, um Gottes willen, ist Vater zurückgetreten?«
»Ich kenne die Details selbst nicht genau, aber soviel ich weiß, besaß Mr. Rosnovski seit zehn Jahren sechs Prozent der Stammaktien. Aus irgendeinem Grund benötigt er nur acht Prozent, um deinen Vater zu verdrängen.«
»Ja, um Artikel 7 anzuwenden«, sagte Richard.
»Richtig. Aber ich weiß nicht genau, was das bedeutet.«
»Vater ließ die Klausel in die Statuten aufnehmen, um sich selbst zu schützen. Nur wer acht Prozent der Stammaktien besitzt, kann seine Autorität in Frage stellen.
Er kam nicht auf den Gedanken, daß jemand außerhalb der Familie je einen so großen Anteil erwerben könnte. Vater hätte nie seine fünfzig Prozent von Kane und Cabot hergegeben, um Präsident der Lesterbank zu werden, hätte er gedacht, daß ihn ein Außenstehender stürzen könnte.«
»Aber das erklärt immer noch nicht, warum er zurücktreten mußte.«
»Ich nehme an, Florentynas Vater ist irgendwie in den Besitz der fehlenden zwei Prozent gekommen. Damit ist er ebenso mächtig wie Vater und kann ihm das Leben als Vorsitzender der Bank unerträglich machen.«
»Aber wieso?«
Offenbar hatte Richards Vater nicht einmal seiner Frau mitgeteilt, was in der Bank geschah.
»Wenn ich mich richtig erinnere, sieht Artikel 7 vor, daß jemand, der acht Prozent der Stammaktien besitzt, sämtliche Banktransaktionen drei Monate lang blockieren kann. Ich weiß, daß Mr. Rosnovski sechs Prozent besaß.
Vermutlich bekam er die anderen zwei Prozent von Peter Parfitt.«
»Nein, das ist unmöglich«, sagte Kate, »ich weiß, daß dein Vater sie durch einen alten Freund kaufen ließ, und zwar weit über ihrem Wert. Deshalb war er in letzter Zeit so beruhigt und sorgte sich nicht mehr um die Zukunft.«
»Dann besteht das wirkliche Rätsel darin, wie Mr.
Rosnovski sich diese zwei Prozent beschaffen konnte. Ich kenne überhaupt niemanden im Aufsichtsrat, der seine Stammaktien verkaufen würde, außer…«
»Die drei Minuten sind abgelaufen, Ma’am.«
»Von wo sprichst du, Mama?«
»Ich bin in einer Telefonzelle. Vater verbat uns allen, je wieder mit dir Kontakt aufzunehmen. Und natürlich will er auch Florentyna nicht sehen.«
»Aber das hat doch alles nichts mit ihr zu tun, sie…«
»Es tut mir leid, Ma’am, die drei Minuten sind vorbei.«
»Ich zahle für den Anruf, Fräulein.«
»Es tut mir leid, die Verbindung ist unterbrochen.«
Widerwillig legte Richard den Hörer auf.
Florentyna sah ihn an. »Kannst du mir verzeihen, daß mein Vater so furchtbare Dinge tut? Ich weiß, daß ich ihm nie verzeihen werde.«
»Verurteile niemanden voreilig, Jessie.«
Richard streichelte ihr Haar. »Sollten wir je die volle Wahrheit erfahren, so werden wir wahrscheinlich feststellen, daß beide Seiten ungefähr gleich schuldig sind.
Und du, mein Herz, hast zwei Kinder und sechs Läden, um die du dich kümmern
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