Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aretha Franklin - Queen of Soul

Aretha Franklin - Queen of Soul

Titel: Aretha Franklin - Queen of Soul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Bego
Vom Netzwerk:
die Kanzel und wandte sich an die Gemeinde. Mit emotionsgeladener Stimme sagte er: »Das hat mich wieder zurückversetzt in unser Wohnzimmer, als sie sechs oder sieben Jahre alt war. Ich sah, wie sehr es euch bewegt hat. Aber ich war kurz davor, zu explodieren. Nicht nur, weil Aretha meine Tochter ist – sie ist einfach eine sagenhafte Sängerin! Reverend James Cleveland kennt Aretha auch noch aus dieser Zeit. Er kam damals, um unseren Chor für eine Gospelübertragung im Radio vorzubereiten – die Aufzeichnung gibt es noch. Er und Aretha saßen stundenlang im Wohnzimmer und sangen. Sie wurde sehr stark von James beeinflusst und auch von Clara Ward. Die Wahrheit ist, dass sie die Kirche nie verlassen hat.«
    »Es war einfach unglaublich«, erinnert sich Arif Mardin. »Einige der Lieder haben Aretha so aufgewühlt, dass sie sich hinsetzen und in sich gehen musste.«
    Zusätzlich zu ihrem Ehrfurcht gebietenden Gesang rezitierte Aretha auf dem Album auch einige Bibelstellen. Im Song »Give Yourself to Jesus« trägt sie langsam und wirkungsvoll aus dem 23. Psalm vor.
    Die Aufnahmen zu Amazing Grace stellten ein so historisches Ereignis dar, dass an beiden Abenden ein Kamerateam in der New Temple Baptist Church filmte. Und es handelte sich nicht um irgendein Nachrichtenteam, sondern Oscar-Gewinner Sydney Pollack wurde engagiert, um den ganzen Aufnahmeprozess mit der Kamera zu dokumentieren. Obwohl der Film Eigentum von Warner Brothers ist, wurde er nie geschnitten oder öffentlich gezeigt. Irgendwann wird er hoffentlich das Licht der Welt erblicken – entweder als Kinoversion oder auf DVD.
    Dass Aretha Franklin in den Schoß der Kirche zurückkehrte, um Amazing Grace aufzunehmen, scheint so natürlich, dass man annehmen muss, die Idee stammte von ihr selbst. Jerry Wexler behauptet allerdings, dass man sie dazu überreden musste, denn sie hatte Angst, dass die Baptistengemeinde daran Anstoß nehmen würde. »Zu dem Gospelalbum musste ich sie wirklich überreden«, sagt er. »Ich nervte sie jahrelang damit. Wegen ihrer Verbindungen zur Kirche – ihr Vater und das alles – hatte sie große Bedenken, was ich verstehen kann. Zu dieser Zeit herrschte eine aufgeladene Stimmung gegen Menschen, die die Kirche verließen, um die Musik des Teufels zu singen. Es gab Scham und Schuld und man konnte niemals zurück. Nachdem Sam Cooke zum Pop gewechselt war, sang er nie wieder einen Ton Gospel.«
    »Sie wollte vor der Kirche nicht in Schande dastehen«, fährt Wexler fort. »Schließlich ist sie ein zutiefst religiöser Mensch, wuchs als Tochter eines Priesters auf und war immer von Gospelsängern wie Clara Ward und James Cleveland umgeben. Sie hatte ganz große Bedenken, Kirchenmusik aufzunehmen, gerade weil sie vorher Blues und Jazz gesungen hatte – profane Sachen sozusagen.«
    Die Arrangements und Arethas Interaktion mit dem Chor und der Gemeinde sind reine Magie. »Die Arrangements haben sie und James Cleveland gemacht«, erklärt Wexler. »Ich hatte damit nichts zu tun. Mein Beitrag bestand darin, die Rhythmusgruppe, eine säkulare Rhythmusgruppe, Tage vor den Aufnahmen zur Kirche zu bringen, damit sie mit dem Chor proben konnten. Und es geht auf meine Kappe, dass Aretha und James Cleveland beide auf dem Album Keyboard spielen. Ich sorgte für eine gute Organisation und Produktion, aber musikalisch ergab sich einfach alles wie von selbst. Draußen vor der Kirche stand ein Lastwagen mit dem Aufnahmequipment. Das Ganze war eine Livesession – das heißt, eigentlich war es eine richtige Freitagabendmesse mit der echten Gemeinde. Man konnte also nicht einfach das Band anhalten und sagen: ›Lasst uns den dritten Takt der Bridge ändern‹.«
    Während der Aufnahmen wurden mehrere Gemeindemitglieder spirituell beseelt. Einige der anwesenden Damen fielen in dramatische Trancezustände, stießen Jubelgeschrei aus und ergingen sich in religiösen Bekenntnissen. »Ich erinnere mich, dass Gertrude einen ihrer regelmäßigen Anfälle bekam«, erzählt Wexler über Clara Wards Mutter. »Ich meine einen dieser Gospeltrance-Zustände, wo die Damen mit den weißen Kitteln vom Roten Kreuz die Betroffenen zum Krankenwagen führen und diese ganz starr werden und in Zungenreden verfallen.«
    Mit dem im Juni 1972 veröffentlichten Album Amazing Grace ging man ein kalkuliertes Risiko ein. Würde die sogenannte Ich-Generation Sister Franklin in die Kirche folgen? Die Antwort lautete: Ja! Die Platte erreichte nicht nur Goldstatus,

Weitere Kostenlose Bücher