Arglist: Roman (German Edition)
wurde, war diese psychotische Phase meines Lebens längst Vergangenheit.«
»Gehen wir mal noch weiter zurück. Wie kam es überhaupt zu dieser psychotischen Phase?«, fragte Decker nach.
Ihre Augen wurden wieder feucht. Sie stellte ihren Kaffeebecher ab und knetete ihre Hände. »Wissen Sie, was es bedeutet, wenn man mit Jesus verheiratet ist?« Als keiner ihr antwortete, redete sie weiter. »Bennett war ein Heiliger, und jeder rieb mir das unter die Nase... wie glücklich und auserwählt ich doch sei, mir ihn geschnappt zu haben. Meine Eltern mochten ihn lieber als mich. So sehr, dass sie ihm mein Geld gaben.«
»Ihren Treuhandfonds«, sagte Decker. Als Melinda ihn fragend ansah, erklärte er ihr: »Wir haben mit Ihrer Mutter gesprochen.«
»Sie hasst mich«, sagte sie tonlos. »Diese Frau ist so unglaublich narzisstisch, dass sie auf jedes bisschen Aufmerksamkeit eifersüchtig war, das nicht ihr galt.«
Marge meinte: »Es muss schwer gewesen sein, neben dem Bild Ihres Mannes zu bestehen und mit einer verletzenden Mutter umzugehen. Und als krönenden Abschluss vertraut Mammi Ihren Treuhandfonds dem Ehemann an.«
»O ja, Schwester, wie wahr!« Sie stand auf und begann hin und her zu gehen. »Können Sie sich diesen Verrat vorstellen? Einem Fremden mehr zu vertrauen als der eigenen Tochter? Ich wollte sie umbringen!«
»Und was war mit Ihrem Ehemann?«, fragte Oliver.
»Was?« Sie drehte sich mit wutentbranntem Gesicht zu ihm um. »Meinem Ehemann? Was soll schon mit ihm gewesen sein! Ich rede hier von meiner Mutter!«
Oliver nahm die Spitzfindigkeit zurück. »Ich habe mich nur gefragt, ob Sie auf Ihren Mann genauso wütend waren wie auf Ihre Mutter.«
Sie blieb stehen und stieß einen ärgerlichen Seufzer aus. »Ben versuchte fair zu sein. Er gab das Geld für Dinge aus, von denen er glaubte, die ganze Familie hätte Spaß daran. Ich wollte den Mercedes genauso gerne wie er. Wer weiß, vielleicht war ich ein bisschen sauer auf Ben, dass er sich mit meiner Mutter geeinigt hatte.«
»Als würde er mit ihr unter einer Decke stecken?«
»Was für eine Wahl hatte Ben denn schon? Entweder so oder gar nicht. Meine Mutter war bereit, das ganze Geld zurückzuholen und es in einem Treuhandfonds für die Kinder anzulegen. Ben machte den Friedensstifter. Aber es tat wirklich weh.«
»Hatten Sie von da an die Affären?«, fragte Marge.
»Vielleicht... ich weiß es nicht.« Sie schüttelte den Kopf, setzte sich wieder hin und sah an die Decke, als sie weiterredete. »Ben war nie zu Hause. Immer für andere unterwegs. Für die Kinder, für die Schule, für meine Eltern, für die Gemeinde. Ich kam erst als Letzte dran.«
»Haben Sie ihm je gesagt, wie Sie sich dabei fühlten?«, wollte Decker von ihr wissen.
»Um Jesus zu sagen, was er tun und lassen soll?« Sie deutete auf ihre Brust. » Moi?« Sie rieb sich die Augen und schaute weg. »Während unserer Verlobungszeit wurde ich schwanger. Das Kind war nicht von ihm. Ich hatte eine Abtreibung, und er heiratete mich trotzdem. Heiliger Ben. Mein erster Fehler. Ich hätte das nicht durchziehen sollen. Meine Mutter liebte Ben. Ich hatte gehofft, sie würde mich lieber mögen, wenn ich jemanden auswähle, den sie abnickt.«
Im Raum herrschte tiefes Schweigen.
»Mochten Sie Ben?«, fuhr Marge sanft fort.
»Natürlich mochte ich ihn. Ich liebte ihn.« Sie lehnte sich in dem Sessel zurück und senkte ihre Stimme ein bisschen. »Ich glaube nicht, dass er mich besonders mochte. Ich meine, welcher Mann heiratet eine Frau, die ihm Hörner aufsetzt?«
Niemand beantwortete ihre Frage.
»Wollen Sie meine Meinung dazu hören? Er hat sein Leben mit diesen ganzen Verpflichtungen beladen, um mich zu umgehen. Um Sex zu umgehen. Er mochte Sex nicht, glaube ich. Zumindest nicht mit mir.«
»Vielleicht war er schwul«, sagte Oliver. »Warum sonst sollte er Sex mit einer Frau, die so gut aussieht wie Sie, vermeiden wollen?«
Jetzt hatte er sich ein ernst gemeintes Lächeln verdient. Immer mal wieder gelang Oliver so etwas, und dann erinnerte sich Marge daran, warum sie mit ihm zusammenarbeitete.
»Darüber habe ich auch nachgedacht«, sagte Melinda. »Ich bezweifle aber, dass er noch jemanden hatte – Mann oder Frau. Seine Arbeit und die außerschulischen Aktivitäten nahmen seine gesamte Zeit in Anspruch.«
»Könnte er bei einigen Aktivitäten gelogen haben?«, fragte Marge.
»Ich konnte ihn jederzeit telefonisch erreichen. Und er gab mir immer seinen Kalender. Wenn ich ihn
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