Arglist: Roman (German Edition)
Abend bildeten eine aufstrebende Hip-Hop-Band, für die Primo als Produzent ihrer neuen Titel im Gespräch war. Die Bezahlung war nicht gerade berauschend, aber die zu erwartende Publicity schon, und Marilyn Eustis wusste einfach, dass Primo diesem Treffen Vorrang eingeräumt hätte. Zumindest hätte er angerufen, wenn ihm etwas dazwischengekommen wäre.
Doch die Show ging weiter. Marilyn streichelte in Abwesenheit des Produzenten einige Egos und lud die Band ein. Viel Wein, viel Essen, und als sie das Restaurant gegen elf Uhr abends verließen, schienen ihrer Meinung nach alle eine gute Zeit gehabt zu haben.
Sie persönlich aß fast nichts.
Sie fuhr zu Primos Apartment und benutzte ihre Schlüssel, um hineinzukommen. Wie immer war die Wohnung aufgeräumt, ohne verdächtige Spuren. Marilyn überprüfte den mit einer Schranke versehenen Parkplatz der Wohnanlage und stellte schnell fest, dass Primos Mercedes nicht auf dem zugeteilten Platz stand.
Zuerst ließ sie sich mit der Verkehrspolizei verbinden und fragte nach Unfällen. Als dabei – Gott sei Dank – nichts herauskam, rief sie noch mal bei der Polizei an und meldete Ekerling als vermisst.
Die Polizei blieb von der Dringlichkeit in ihrer Stimme völlig unbeeindruckt. Sie müsse warten, bis er für eine längere Zeit verschwunden sei, bevor man irgendjemanden die Sache genauer untersuchen ließ. Als offensichtlich wurde, dass Primo aus eigenem Antrieb nicht auftauchen würde, schickte die Polizei einen Detective namens Marsden Holly los, um mit Marilyn zu reden.
Nachdem Holly gehört hatte, in welcher Branche Primo sein Geld verdiente, schlug er alternative Szenarien vor, die meisten davon Variationen von fluchtartigem Verlassen der Stadt oder Abhauen mit einer anderen Frau. Marilyn blieb hartnäckig dabei, dass nichts davon plausibel war. Der Detective schrieb sich Modell, Ausstattung und Kennzeichen des Mercedes auf und gab die Infos weiter. Ekerlings Verschwinden blieb rätselhaft, bis einem Polizist ein bereits mit einem Strafzettel versehener Mercedes auffiel. Als sich das Auto als gestohlen herausstellte, meldete er das Verbrechen der Abteilung für schweren Autodiebstahl.
Detective Cynthia Kutiel – Decker gestattete sich hier einen Anflug von Stolz – bemerkte, dass der Wagen hinten durchhing. Als die Kofferraumklappe aufging, entdeckten die Polizisten die bereits verwesende Leiche, zusammengekrümmt in der Fötus-Haltung. Dem Opfer war zweimal wie bei einer Hinrichtung in den Kopf geschossen worden, seine Hände und Füße sorgfältig gefesselt.
Das Morddezernat wurde zusammen mit dem Rechtsmediziner dazugerufen.
Ihnen folgten die Kriminaltechniker und ein Polizeifotograf.
Sie sicherten Beweismaterial, schossen Bilder und nahmen Fingerabdrücke. Die gute Nachricht war, dass die am Tatort sichergestellten Fingerabdrücke mit denen zweier nichtsnutziger Kleinkriminellen namens Geraldo Perry und Travis Martel übereinstimmten. Beide Teenager standen im Vorstrafenregister, hatten allerdings bis zu dem Zeitpunkt auf Gewalttaten verzichtet. Die Detectives Rip Garrett und Tito Diaz wiesen auf eine ansteigende Kurve von krimineller Energie in der Verbrechensstatistik dieser Jungs hin und waren der Meinung, jetzt hätten sie die Grenze eben überschritten.
Die Jungen wurden verhaftet und in getrennten Verhörräumen auseinandergenommen. Beide erzählten dieselbe Geschichte und benutzten dieselbe Verteidigungsstrategie. Gegen zehn Uhr abends hätten sie sich im Jonas Park – einem bekannten Drogenumschlagplatz – rumgetrieben, um sich Gras zu beschaffen. Stattdessen wären sie in der Nähe des Parks auf den verlassen auf einem leeren Parkplatz stehenden Mercedes gestoßen. Beide gaben freiwillig zu, das Auto gestohlen zu haben, aber keiner der beiden gestand den Mord an Ekerling. Sie behaupteten, mit dem Auto lediglich eine Spritztour unternommen zu haben: erst ein bisschen Schaulaufen auf dem Santa Monica Boulevard, dann Rennen fahren auf dem Sunset Boulevard gegen drei Uhr morgens, um das Auto dann irgendwann, als der Motor qualmte, in den Hollywood Hills abzustellen.
Beide beharrten auf ihrer Unschuld. Sie blieben dabei, sie hätten überhaupt keine Ahnung gehabt, dass Ekerling im Kofferraum langsam vor sich hin gammelte wie in einem zu Lebzeiten selbst bezahlten Sarg.
» Wo wart ihr, nachdem ihr das Auto abgestellt hattet?«, fragte Rip Garrett Travis Martel.
»Mann, wir hatten Kohldampf. Brauchten Futter, verstehste? Gingen zu Mel’s, paar
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