Arglist: Roman (German Edition)
durchgedrungen war. Als es so weit war, fuhr er fort. »Der Fall wurde wieder aufgerollt. Ich bin an ihm dran, und ich möchte nur sicher sein, dass die Zufälligkeiten genau das sind – nämlich Zufälle.«
Marilyn schlug ihre Beine übereinander, dann wieder auseinander. Sie trug einen engen schwarzen Rock, der reichlich Bein frei ließ. »Welche Art Zufälligkeiten?«
Decker erzählte ihr von den Autos und der Haltung der Körper im Kofferraum und auch von der Tatsache, dass in beiden Fällen öffentliche Parks nach Einbruch der Dunkelheit eine Rolle spielten.
Sie sah ihn durchdringend an. »Sie glauben an einen Serienkiller?«
»Die Morde liegen fünfzehn Jahre auseinander.«
»Ein wählerischer Serienkiller.«
Decker wagte es nicht zu grinsen, aber ihr schwarzer Humor war besser als Verbitterung. »Ich versuche festzustellen, ob es zwischen den beiden Männern eine Verbindung gab, aber bis jetzt konnte ich nichts herausfinden. Daher hätte ich gerne ein paar Hintergrundinformationen zu Primo. Was können Sie mir über ihn erzählen?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Primo wurde in New York geboren. Ich habe ihn auch in New York kennengelernt. Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger, als er in der Punkmusikszene aktiv war, hat er schon mal eine Zeit hier verbracht.«
»Die Doodoo Sluts .«
»Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.« »Nicht ganz, aber beim Googeln von Primo habe ich gesehen, dass er in einige Prozesse gegen einen Mann, Rudy Banks, verwickelt ist, der auch bei den Doodoo Sluts war. Können Sie mir dazu etwas sagen?«
»Sie verdächtigen Rudy?«
»Ich kenne Rudy noch nicht mal, geschweige denn dass ich ihn verdächtige. Ich zähle nur eins und eins zusammen. Wenn Mr. Ekerling und Rudy in der Szene von L.A. Ende der Achtziger bis Anfang der Neunziger aktiv waren, dann wäre das genau um den Zeitpunkt herum, als Ben Little ermordet wurde.«
Sie zog an ihrer Zigarette, blies den Qualm aber nicht in seine Richtung. »Und?«
»Ich habe kein ›und‹, Ms. Eustis. Ich versuche bloß, Informationen zu sammeln.«
»Rudy kann man mit einem Wort beschreiben: Schmock ! Wenn man ihn umgebracht hätte, wäre wohl niemand überrascht gewesen. Der Mann hatte nur Feinde.«
»Wie kommt’s?«
»Weil er ständig Leute über den Tisch zieht. Er macht Compilations. Er klaut Songs, ohne Tantiemen zu bezahlen. Er plagiiert Titel, die andere geschrieben haben, und zahlt nichts dafür. Manchmal macht er sogar legitim Geld. Primo und Rudy haben in Koproduktion eine Retrospektive über die Punkszene in Los Angeles erstellt, auf der Künstler von heute alte Hits spielen. Die CD hat sich gut verkauft – ein Ausschnitt war sogar für kurze Zeit bei iTunes zu finden -, aber Rudy hat den ganzen Gewinn eingesackt.«
»Wie kommt er damit durch?«
»Wenn sich jemand beschwert, sagt er: Verklag mich doch. Manche tun’s, die meisten nicht.«
»Woher nimmt Rudy das Geld für den Rechtsbeistand?«
»Der Scheißkerl ist clever. Vor zehn Jahren, kurz nachdem die Gruppe auseinanderging, hat Rudy Jura studiert. An so einer sauteuren Abendschule, an der kein einziger Student je das Examen schafft. Und wissen Sie, was passiert ist?«
»Er hat bestanden.«
»Und hat sich auf geistiges Eigentumsrecht spezialisiert. Er kennt alle Tricks. Ich sag Ihnen was, Lieutenant: Sie finden kaum einen Richter, der sich Ihren Fall überhaupt anhört. Neunundneunzig Prozent der Fälle fliegen in erster Instanz raus. Primo hat Rudy jahrelang machen lassen, weil es sich nicht gelohnt hätte.«
»Und was hat seinen Meinungsumschwung bewirkt?«
»Rudy hat eine CD als Rückblick auf die Doodoo Sluts veröffentlicht, ohne Primo, Liam und Ryan – den anderen Mitgliedern – auch nur einen Cent abzugeben. Die drei haben sich zusammengetan und geklagt. Der Verkauf der CD wurde gestoppt – zumindest eine Zeitlang -, und bisher hat keiner Geld gesehen, außer natürlich Rudy.«
»Was passiert denn, falls alle drei Bandmitglieder sterben würden? Bekäme Rudy den gesamten Gewinn, oder ginge der in die Erbmasse der Mitglieder?«
»Ich habe keine Ahnung.« Sie schwieg einen Moment und rauchte weiter. »Rudy verklagt andauernd irgendjemanden, oder irgendjemand verklagt ihn. Das gehört zu seinem Lebensstil. Aber trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass er was mit Primos Tod zu tun hat.«
Noch eine Pause.
»Allerdings weiß ich auch nicht genau, ob ich das Ding mit dem missglückten Carjacking glauben soll.« Sie schüttelte den Kopf und
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