Arglist: Roman (German Edition)
Little war ein bekannter Stammkunde. Er kippte den Schnaps fast schneller, als der Barmann ihn einschenken konnte. Und das lockerte seine Zunge. Nach fünfzehn Minuten wusste Oliver bereits, dass Nick zweimal verheiratet und geschieden war, ein Kind mit der ersten Frau, das zweite mit der zweiten. Seine Exfrauen waren Giftnattern und Nutten, und die Ehe war ein grausamer Scherz von hinterhältigen Weibern, die den Männern vögelnd ihren Gehaltsscheck abjagten.
Oliver musste nicht groß schauspielern, um ihm zuzustimmen, obwohl er und seine Ex sich mittlerweile in einem Raum aufhalten konnten, ohne dass ein Feuerwerk losballerte. Er hasste seine Ex nicht wirklich, aber sie brachte die schlecht gelaunte Seite an ihm zum Vorschein.
Nick hatte männliche Gesichtszüge – eine römische, mit den roten Adern des Gewohnheitstrinkers durchzogene Nase und ein breites Kinn voller dunkler Bartstoppeln, die sein ganzes Gesicht düster wirken ließen. Seine Augen hatten die Farbe von Weihnachten – flaschengrün mit roten Rändern. Metallstifte zogen sich, angefangen beim Ohrläppchen, die gesamte Ohrmuschel hoch. Er hatte breite Schultern, aber schmale Hüften. Seine Arme waren muskulös und mit Girlanden aus eingeritzter Tinte geschmückt. Er arbeitete in einer Autowerkstatt, und wenn er die Autos nicht gerade inspizierte, dann fuhr er damit Rennen. Ihm gefiel, wer er war und wie er lebte, und sollten Leute damit ein Problem haben, dann konnten sie ihn mal kreuzweise. Er hatte ziemlich viel erlebt in seinen ersten dreißig Jahren und gedachte, noch mehr davon in die nächsten dreißig zu packen, wenn der Typ da oben es erlaubte.
Oliver versuchte ihn dazu zu bringen, über seine Mutter zu reden, doch Nick war zu beschäftigt damit, seine Exfrauen zu verfluchen, und schaffte den Absprung nicht. Oliver musste Mr. Macho aussitzen. Irgendwann – wahrscheinlich dann, wenn Nick genug getrunken hatte – würde er schon mit ihm über Melinda reden können.
Ungefähr eine Stunde später war es dann so weit, auch wenn der Typ echt trinkfest war. Beim Sprechen sah er einen noch an, und seine Hände zitterten nicht. »Sie versuchte, alles richtig zu machen.« Er leckte sich die Lippen. »Und der Scheiß ging voll nach hinten los.«
»An wie viel erinnern Sie sich?«
»Ich war fünfzehn, ich erinnere mich an alles. Ich mochte meinen Vater, er war ein guter Typ. Er würde mein Leben jetzt nicht gutheißen, aber er hätte meine Entscheidungen mitgetragen. Ich bin finanziell unabhängig, und das würde ihm gefallen.«
»Und Ihre Mutter?«
»Tjaja, meine Mutter.« Er blinzelte mehrmals. »Meine Mutter zerbrach daran. Als ihre Welt einstürzte, bekam sie ihren eigenen Scheiß nicht mehr auf die Reihe, geschweige denn unseren.«
»Sie war oft weg?«
»Sehr oft – praktisch immer. Ich hasste sie dafür, aber mittlerweile kann ich es verstehen. Manchmal verwandelt dich das Leben in einen Menschen, der du gar nicht sein willst.«
»Es geht ihr jetzt gut.«
»Ja, sie hat eine gute Partie gemacht. Schön für sie.«
Oliver registrierte, dass keine Bitterkeit in den Worten mitschwang. »Wie hat sie ihren jetzigen Mann kennengelernt?«
»Irgend so ein Wohltätigkeitsspektakel... zumindest ist das die offizielle Variante.«
»Und die inoffizielle richtige Variante lautet...«
»Wahrscheinlich in Vegas an einem der Spieltische.«
»Ich hab davon gehört, dass sie ein Problem hatte.«
»Hatte?« Er grinste. » Hatte würde bedeuten, dass sie mit dem Thema nichts mehr zu tun hat.«
»Sie spielt immer noch?«
»Scheißt der Bär immer noch in den Wald?«
»Woher hat sie das Geld?«
»Ich habe keine Ahnung, Detective, ich verfolge die Laster meiner Mutter nicht. Wir stehen uns nicht sehr nahe. Sie hält sehr wenig von mir, oder sagen wir, sie hält sehr wenig von meiner äußeren Erscheinung. Aber trotzdem wünsche ich ihr alles Gute.« Er kippte noch einen Schnaps. »Niemand ist perfekt.«
»Wie sie jetzt das ganze Geld ausgeben kann, leuchtet mir ein... Warren ist ein sehr wohlhabender Mann.«
»Darauf trinke ich einen.« Little hob sein Glas in die Höhe.
»Woher hatte sie das Geld, um ihrem Hobby nachzugehen, als sie noch mit Ihrem Vater verheiratet war?«
»Ich weiß nicht, wie viel sie tatsächlich spielte, als Dad noch lebte. Er hatte sie wahrscheinlich im Griff. Warum fragen Sie sie nicht selbst?«
»Hab ich, und Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Sie sagte, es sei kein akutes Problem gewesen, als Ihr Vater noch
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