Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
Vom Netzwerk:
nötig sind. Also, Alarm schlagen, sozusagen. Eventuell das FBI benachrichtigen. Wir tun intern natürlich auch alles, was wir augenblicklich tun können, um den Insassen ausfindig zu machen. Nur dass Sie’s wissen.»
    «Hören Sie mal, Sergeant, wovon zum Teufel reden Sie eigentlich? Und von wem? Spucken Sie’s endlich aus.»
    «Der Insasse, den Sie hierher ins DCJ verlegt haben … also … der ist anscheinend versehentlich entlassen worden. Er wurde in den falschen Evakuierungstransport gesetzt und … also … Wir können ihn derzeit nicht finden, Sir. Wir haben hier das absolute Chaos, Sir. Das ist natürlich keine Entschuldigung, aber so war es eben, mit den Evakuierungen und dem ganzen Kram. Ich habe so was noch nie …»
    Manny fiel ihm ins Wort. «Was denn für ein Insasse? Ich habe keinen hierher verlegen lassen. Zumindest nicht in letzter Zeit. Ich habe gerade nur ein paar Mordverdächtige im DCJ und im Metro West einsitzen. Warten Sie mal … Herrera, Hoslem, Wilfredo Lemar. Wen meinen Sie?»
    «Keinen von denen, Sir. Ich rufe wegen dem Insassen aus dem Florida State Prison an, der vor ein paar Tagen hier eingetroffen ist.»
    Manny setzte sich an den Küchentresen. Er hatte die Faust so fest geballt, dass ihm das Blut aus dem verletzten Daumen zwischen den Fingern hindurch das Handgelenk hinunterlief und eine kleine Lache auf den weißen Fliesen bildete. «Noch einmal: Ich habe niemanden verlegen lassen. Sie haben wohl den falschen Ermittler erwischt.»
    «Na ja, Sir, Sie stehen hier auf dem Formular als einer der Ermittler, die die ursprüngliche Festnahme vorgenommen haben. Sie und ein gewisser Agent Falconetti vom FDLE. Ich bin davon ausgegangen, dass Sie die Verlegung genehmigt haben. Vielleicht wurde das ja auch vom Richter angeordnet, aber wenn es Ihr Häftling ist, müsste man Sie doch eigentlich informiert haben, dachte ich. Aber vielleicht liege ich da falsch, Sir.»
    Manny sah zum Küchenfenster. Auf dem Fensterbrett stand ein gerahmtes Foto von ihm und Daria in South Beach. Auf der anderen Straßenseite balancierte sein Nachbar auf halsbrecherische Weise auf der obersten Sprosse seiner Leiter, um eine Sperrholzplatte an einem Fenster im ersten Stock anzubringen. Jeden Augenblick würde er herunterfallen, und es wäre ironischerweise nicht mal der gottverdammte Wirbelsturm, der ihm den Hals brach. Nur seine eigene Blödheit. Seine eigene unangemessene Vertrauensseligkeit. Die Leiter wackelte. Wie Manny blieben auch diesem Mann nur noch ein paar Sekunden, bevor der Himmel über ihm einstürzte. Manny schloss die Augen.
    «Wer wurde entlassen, Sergeant?», fragte er, obwohl er die Antwort eigentlich schon kannte.
    Er öffnete die Augen wieder.
    Die Leiter kippte. Sein Nachbar ruderte mit den Armen, versuchte, Halt zu finden, wo keiner mehr war. Einen Moment sah es aus, als hinge er in der Luft, wie eine Zeichentrickfigur, die gerade über den Felsrand gerannt ist.
    «Ähm …» Der junge Mann schluckte schwer, als wollte er den Namen selbst nicht ausgesprochen hören. «William R. Bantling, Sir.»
    Und mit diesen Worten brach über Manny der Himmel ein, so wie die Leiter seines Nachbarn.

39
    A ls der Hurrikan Andrew Miami verwüstet hatte, war Daria elf gewesen. Sie lebte damals in demselben bescheidenen Einfamilienhaus in Cooper City, das ihre Eltern immer noch bewohnten. An die Tage vor Andrew konnte sie sich kaum erinnern – nur an die Fernsehnachrichten, die in den vierundzwanzig Stunden, bevor der Sturm das Festland erreichte, auf jedem Kanal pausenlos und ohne Werbeunterbrechung liefen. Egal, wer gerade sprach, in der rechten unteren Bildschirmecke waren ständig die zeitverzögerten Aufnahmen des wirbelnden weißen Flecks mit dem kleinen Loch in der Mitte eingeblendet, der langsam, aber sicher über den Atlantik auf Florida zuhielt. Während Marco und Anthony ihrem Vater dabei halfen, die schweren Holzplatten vor die Fenster zu nageln, hatte Daria die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass in allen Zimmern Taschenlampen mit neuen Batterien bereitlagen. Ihre Mutter war in heller Panik: Alle fünf Minuten kreischte sie irgendwelche Koordinaten von Längen- und Breitengraden, als würde sie etwas davon verstehen, und kochte währenddessen töpfeweise Marinara-Soße.
    Daria wusste noch, dass sie zwar verängstigt gewesen war, als der Sturm auf der Fernsehkarte immer näher rückte und die Stunden bis zur Katastrophe verstrichen, aber auch freudig aufgeregt. Heimlich hoffte sie darauf, dass

Weitere Kostenlose Bücher