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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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schlug mit dem Stock gegen die Gitterstäbe wie ein Dompteur, der versuchte, seinen Tiger zu motivieren. «Gehen wir», bellte er. «Machen Sie keine Schwierigkeiten, Bill.»
    Was für ein Zirkus. Und dann auch noch dieser nervtötende Südstaatenakzent.
    Bill legte das Buch weg und setzte sich auf seinem Bett auf. In solchen Momenten, wenn Wut in ihm aufstieg, war es tröstlich zu wissen, dass die kleinen Männer, die an diesem verdammten Ort arbeiteten, es nicht wegen des Lohns taten oder wegen der Zusatzleistungen, oder weil sie die Gesellschaft vor Massenmördern und anderen Unholden schützen wollten. Das war alles Schwachsinn. Es gab nur einen Grund, warum Außenseiter wie Zeffers jeden Tag ihre hässliche grüne Uniform anzogen: Sie waren süchtig nach der Macht und dem Spektakel, weil sie in ihrem miesen, leeren Leben sonst nichts hatten. In einem Hochsicherheitsgefängnis morgens die Stechkarte in die Uhr zu stecken, war ihnen Aufregung genug, um sich nach Feierabend vor den Huren und den Kneipenhockern aufzublasen, die sich am örtlichen Wasserloch versammelten. Noch ein bisschen was drauf, eine Schlägerei zum Beispiel, und man war der große Macker. Dabei wusste Bill genau wie jeder andere Insasse, dass dieselben aufgeblasenen kleinen Kerle an den meisten Tagen nicht mehr als Zimmerkellner waren, die Mörder zur Dusche begleiteten und ab und zu einem Häftling den Finger ins Arschloch steckten, um nachzusehen, ob er was Besonderes dort verbarg. Da war nicht viel Spektakel dabei. Deshalb mussten sie, wann immer es ging, eines inszenieren. So wie Sergeant Tru Zeffers mit dem Stock herumfuchtelte und Befehle bellte, war klar, dass er irgendwen beeindrucken wollte.
    Bill musterte die drei Typen in Panzerkleidung. Einer fing an, sich unter der durchsichtigen Schutzmaske das Gesicht zu kratzen. Der andere trat von einem Fuß auf den anderen. Der dritte wischte sich den Schweiß von der Oberlippe. Nahm man ihnen den Hochdruckschlauch, den Körperpanzer und den Schutzschild weg, wäre keiner dieser Zirkusclowns freiwillig auch nur für drei Minuten mit ihm oder einem seiner Nachbarn in den Ring gestiegen, das wusste Bill. Das galt auch für Tru Zeffers, der ohne Publikum gar nicht so tough, gar nicht so böse und gar nicht so tapfer war, wie er vorgab. Das wussten alle, bis auf die verzweifelten Frauen und die durstigen Säufer am Tresen, die nur darauf warteten, dass einer in grüner Uniform auftauchte und ihnen gute Geschichten erzählte …
    Bill stand gemächlich auf und ging ganz ruhig auf das Gitter zu. In der Mitte der Tür war ein horizontaler Schlitz, durch den er die Hände steckte, um sich Handschellen anlegen zu lassen. «Besuch?»
    «Keine Fragen. Zurücktreten», bellte Zeffers, nachdem die Handschellen zugeschnappt waren. «Und jetzt legen Sie sich mit dem Gesicht nach unten aufs Bett.» Bill gehorchte, und die Wärter betraten die Zelle, um ihm ein Paar Fußeisen anzulegen.
    Besuch … Hmmm …
    Während sie ihm die Ketten anlegten, ließ er seine Gedanken schweifen. Es war lange her, dass er Besuch bekommen hatte. Selbst sein letzter Anwalt hatte nur noch angerufen, wenn es Neuigkeiten gab. Bill hatte weder Freunde noch Familie, es kam also niemand freiwillig her. Es gab zwar eine erstaunliche Zahl von einsamen und leider meistens hässlichen Frauen rund um die Welt, die ihm Liebesbriefe und Fotos schickten und von einem Heiratsantrag träumten, aber sie durften ihn nicht besuchen, solange sie nicht auf einer vom Gefängnisdirektor abgesegneten Besucherliste standen, auf die sie nie gelangen würden.
    Es bestand die hauchdünne Chance, dass es jemand von der Presse war, aber da der Direktor auch hier die Erlaubnis verweigerte, zumindest in seinem Fall, war Bill skeptisch. Er war längst eine Art Promi, nachdem er eine Zeitlang in aller Munde gewesen war. Und bei der Gefängnisbehörde wollte niemand erleben, dass sein Name im Internet wiederauferstand oder bei America’s Most Wanted auftauchte. Die Gesellschaft wollte Bill Bantling im Hochsicherheitstrakt beerdigen, weit weg von Kameras und Mikrophonen, in der Hoffnung, dass – anders als der irre Charles Manson, der mit jedem Gnadengesuch neue Schlagzeilen machte – Billy eines Tages in Vergessenheit geriet und der Name Cupido wieder allein dem nackten Liebesgott gehörte, der mit Pfeil und Bogen in die Herzen traf.
    «Toter Mann im Anmarsch!», bellte Zeffers, als sie an den anderen Zellen vorbeigingen. Ein solcher Auftritt konnte nur

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