Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
getroffen. Es hatte einmal einen solchen Fall gegeben, vor einigen Jahren. Da hatte ein Brummifahrer aus Hof Prostituierte ermordet. Über zehn Jahre lang. Und er war nur gefasst worden, weil er eine der Leichen direkt vor der Überwachungskamera einer Tankstelle entsorgt hatte. Einen solchen Fehler würde sein Phantom nicht begehen. Und Zubiri schien es zumindest nicht für ausgeschlossen zu halten, was für Paul eine Verdopplung seiner persönlichen Überzeugungsquote bedeutete – wenn er Adelheid Auch einmal außen vor ließ.
»Wir sind bei Ene immer von einem Freier hier aus der Gegend ausgegangen. Irgendeinem Perversling, der sie erst gevögelt und dann entsorgt hat, als ihm der Sex allein nicht mehr reichte oder sie sich wehrte. Sie wurde drei Wochen von ihren Freundinnen vermisst, bevor man ihre Leiche fand. Wenn es wirklich ihr Fernfahrer war, dann müsste Saragossa zweimal innerhalb von drei Wochen auf seiner Route liegen.«
»Wäre das kein Ansatz für Sie?«, fragte Paul und schöpfte Hoffnung.
»Hier gibt es eine Menge Lastwagen«, sagte Jaime Zubiri.
Paul seufzte.
»Aber ich werde dem nachgehen«, versprach der Comisario. Während Paul versuchte, den Fahrtwind mit der Hand zu fangen, dachte er an die Theorie mit dem Fernfahrer. Er würde Zubiri nicht davon abhalten, diese Spur weiterzuverfolgen. Es war besser als nichts. Aber die Opferwahl sprach gegen die Theorie von einem Sexualverbrecher. Was natürlich nicht zwangsläufig gegen den Fernfahrer sprach, aber wenn mehr dahintersteckte, könnte er auch gezielt nach seinen Opfern suchen. Wenn Paul nur dahinterkäme, was das gemeinsame Merkmal war. Und es musste ein solches Merkmal geben, das war zwangsläufig, denn es entsprach dem Grund für ihren Tod. Ohne gemeinsames Merkmal kein Grund. Und grundlos, so vielfältig auch die Motive für eine Mordserie sein mögen, grundlos waren sie niemals.
»Und Sie wollen sich das wirklich antun?«, fragte Comisario Zubiri, als er vor einem zweistöckigen Glaskasten in der Innenstadt hielt.
»Habe ich eine Wahl?«, fragte Paul Regen.
»Ich meine ja nur, weil der Kollege kein Wort Englisch spricht«, sagte Zubiri.
Paul Regen hatte gehofft, dass der Comisario ihm anbieten würde zu übersetzen. Hatte er aber nicht. Und er würde seine Gründe dafür haben. Aber Regen musste herausfinden, ob es möglich war, dass das verwendete Formalin identisch mit dem war, das der Mörder schon früher verwendet hatte, auch wenn es in Ene Akiodes Fall stark mit ihrem Blut vermischt war. Der Mörder musste beim Haltbarmachen ihrer Leiche gestört worden sein, was vermutlich auch der Grund dafür war, dass er sie als Erste komplett entsorgt hatte.
»Ich komme schon zurecht«, sagte Paul Regen und stieg aus dem Wagen.
Jaime Zubiri kurbelte die Scheibe herunter: »Es tut mir wirklich leid, Comisario Regen, aber ich habe ein Meeting. Sie verstehen das doch, oder nicht?«
Paul Regen verstand das nur zu gut und lächelte: »Haben Sie heute Abend Zeit? Vielleicht zum Abendessen?«
»Ich rufe Sie an«, versprach der Comisario und brauste davon.
Der Rechtsmediziner sprach tatsächlich kein Wort Englisch, und Paul Regen hatte Mühe, ihn davon zu überzeugen, dass er in legitimer Absicht und mit einem offiziellen Amtshilfeersuchen aus Deutschland kam. Er starrte in seinen Computer, und der Schein des Monitors spiegelte sich auf seiner Glatze, als Paul ihm die Dokumente auf den Tresen legte: »Ich muss den Leichnam von Ene Akiode sehen, bitte. Ene Akiode!« Die Frage, ob das Formalin identisch mit dem seines Arms sein könnte, hatte er längst ad acta gelegt. Die Übersetzung seines Gutachtens in Deutschland würde reichen müssen. Paul Regen formulierte eine innere Notiz, Adelheid Auch die Seiten zu faxen, als die Glatze loslegte. Er sprach derart schnell, dass einem schwindelig werden konnte. Paul Regen hatte einmal ein Spiel vom FC Barcelona in einer spanischen Kneipe gesehen, die Glatze hätte jederzeit mit dem Kommentator tauschen können. Natürlich verstand Paul Regen kein Wort. Er zog seinen Dienstausweis vom Bayerischen Landeskriminalamt aus der Tasche, was in einem weiteren einseitig geführten Wortgefecht mündete.
»Signore«, versuchte es Paul Regen, so ruhig er konnte. »Io.« Er deutete auf seine Brust. »Must see.« Er zeigte mit einem V aus Mittel- und Zeigefinger auf seine Augen. »Ene Akiode.«
Zum ersten Mal blickte die Glatze von ihrem Computer auf. Paul Regen wiederholte den einen Satz noch zweimal und schob
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