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Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)

Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)

Titel: Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenk Saborowski
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die Papiere auf dem Tresen in seine Richtung. Die Glatze griff mürrisch danach, aber es war ihm anzusehen, was er von Deutschen hielt, die sich in seine Arbeitsabläufe einmischten. Er konnte es ihm nicht einmal verdenken.
    Zehn Minuten und die erniedrigende Prozedur später, einen Schutzanzug anlegen zu müssen, was vermutlich von keinem seiner spanischen Kollegen verlangt worden wäre, zog die Glatze Ene Akiodes Leiche aus dem Kühlfach mit der Nummer 31.
    Ene Akiode war eine bildschöne Frau von vierundzwanzig Jahren gewesen, ihr gleichmäßiger Teint wirkte wie warmes Ebenholz auf dem kalten Edelstahl der Schublade. Ihr Haar fiel in dunklen Wellen über ihre Schultern, und selbst im Tod strahlte sie Stolz und etwas Würdevolles aus. Die Glatze hatte sie gut behandelt, der T-Schnitt über ihrer Brust war fein zugenäht, etwas feiner, als es vermutlich notwendig gewesen wäre. Paul Regen schätzte das, denn gelegentlich vergaßen Ermittler, dass das Unnötigste im Leben der Tod eines jungen Menschen ist. Enes Körper trug die Zeichen einer Existenz am Rand der Gesellschaft: Paul zählte über zehn alte Einstichstellen, die mit Sicherheit von Drogen stammten, auf ihrem linken Unterschenkel fand sich ein selbst gestochenes Tattoo. Knasttechnik, mit einer einfachen Stecknadel und regulärer Tinte. Höllisch ungesund und höllisch hässlich, dachte Paul Regen. Hatte eines der anderen Opfer ein Tattoo gehabt? Er konnte sich an keines erinnern. Adelheid Auch würde das für ihn herausfinden. Paul blieb noch eine halbe Minute neben dem Leichnam stehen und nahm Abschied von ihrer Seele, bevor er der Glatze bedeutete, dass er die Schublade wieder schließen könne. Paul Regen glaubte an Karma. Und er war nicht überzeugt, dass mit dem Tod alles zu Ende ist. Sein Beruf war leichter zu ertragen dadurch. Und Paul Regen stellte stets sicher, dass seine Karmabilanz positiv ausfiel. Selbst wenn oder vielleicht gerade weil er dem Wochinger zu ihrem Jahrestag einen Fisch schickte.

KAPITEL 50
Brüssel, Belgien
Mittwoch, 17. Juli 2013, 21.24 Uhr (zwei Tage später)
    Solveigh fuhr die in blauem Licht erstrahlende Rolltreppe des Sofitel Le Louise nach oben. Sie lief quer durch die Empfangshalle, ihre Absätze klackerten auf dem Holzboden. Sie ging gerade so schnell, um nicht von eilfertigen Angestellten nach ihrem Ziel gefragt zu werden, und langsam genug, um zu wirken, als habe sie einen harten Arbeitstag hinter sich. Sie wusste, wo sie ihre Zielobjekte finden würde.
    An der Hotelbar, einem weißen Lichtblock, wie ihn der Plastikarchitekt Starck modern gemacht hatte, glitt sie auf einen der furchtbar unbequemen Barhocker. Die meisten Teilnehmer der Konferenz saßen in kleinen Gruppen auf den Lederinseln, zwischen denen junge Kellnerinnen umherhuschten und starke Drinks servierten. Die Konferenz zur Absicherung des Euroraums gegenüber Währungsspekulationen dauerte seit heute Morgen um acht. Die Teilnehmer, die zweite Reihe europäischer Geldpolitik, waren müde. Es waren die Staatssekretäre und Abteilungsleiter aus den Finanzministerien, einige Mitarbeiter der Wirtschaftsminister, einige Assistenten. Es war kein hochoffizielles Treffen, sondern ein Arbeitsgespräch. Es ging um die Verträge hinter den Pressemeldungen, um das Geschacher innerhalb der paragrafierten Grenzen. Die meisten hatten ihren Krawattenknoten gelöst, und Solveigh wusste, dass sie nicht mehr nach dem teuren Duschbad riechen würden, das sie heute Morgen um fünf, kurz vor dem Flieger, reichhaltig aufgetragen hatten. Solveigh zog die Kampferpaste aus ihrer Hosentasche, die sie immer bei sich trug, und schmierte eine dünne Schicht auf ihre Oberlippe. Es half, wenn man freundlich zu diesen Gerüchen sein musste. Und wenn es schlecht lief, würde sie heute mehr als nur Nettigkeiten austauschen müssen. Je nachdem. Sie musterte die Tische und stellte zufrieden fest, dass beide Italiener an einem saßen. Das machte ihre Aufgabe zumindest ein wenig leichter. Sie schob den Rock ihres Kostüms, mit dem sie als subalterne Mitarbeiterin eines Ministeriums durchgegangen wäre, ein wenig zu weit nach oben. Sie würden sie für eine Aktenträgerin halten, was nicht weiter von Bedeutung war. Männer hielten Frauen immer für Aktenträgerinnen, Sekretärinnen oder Praktikantinnen, selbst wenn sie achtunddreißig Jahre alt waren. Und zwar so lange, bis man ihnen eine Visitenkarte oder eine geladene Pistole unter die Nase hielt. Für Solveigh spielte es heute keine Rolle. Es

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