Arkadien 01 - Arkadien erwacht
Bikini-Oberteil sehr mager und weiß. Die Jeans ließ sie an. Im Vergleich zu den anderen Mädchen fand sie ihre Hüften zu knochig, ihre Schenkel zu dünn. Bei ihrer Ankunft am Flughafen hatte sie sich gefragt, ob Zoe eine Essstörung hatte, aber jetzt, neben diesen dreien, sah sie selbst ziemlich magersüchtig aus.
»Willst du baden?«, fragte Alessandro.
Sie schüttelte den Kopf und fragte sich, was sie überhaupt hier zu suchen hatte. Deplatziert brachte nicht annähernd zum Ausdruck, wie sie sich fühlte.
»Machen wir einen Spaziergang über die Insel«, schlug er vor. Sein Lächeln war offen, aber sie merkte, dass er angespannt war. Sie dachte an das, was er vorhin über Killer gesagt hatte, und musterte die anderen auf ihren Liegen. Das Mädchen cremte sich ein, aber die jungen Männer lagen nur da, die Gesichter zum Meer gewandt. Vielleicht beobachteten sie ihre beiden Begleiterinnen im Wasser, aber hinter dem Spiegelglas blieben ihre Augen unsichtbar.
Tano blickte von dem MP3-Player, den er gerade an die Musikanlage angeschlossen hatte, zu Alessandro herüber. Der Vorwurf in seiner Stimme war kühl und berechnend. »Deinem Vater hätte es nicht gefallen, dass eine Alcantara auf der Insel herumschnüffelt.«
Alessandro gab sich Mühe, Tano zu ignorieren, aber Rosa sah, wie sich seine Züge verhärteten.
Sie schenkte Tano ein herausforderndes Lächeln. »Gut zu wissen, dass es hier Dinge gibt, die uns interessieren könnten.«
»Gehen wir.« Alessandro streifte ihre Finger.
»Nicht zu weit«, sagte Tano.
Rosa nahm Alessandros Hand. »Sehen wir mal, wie weit wir gehen, hm?« Und dabei setzte sie eine so schnurrige Naschkatzenmiene auf, dass selbst die Schwarzhaarige für einen Moment in ihrer Sonnencreme-Arabesque innehielt.
Hand in Hand stapften sie durch den Sand davon und achteten nicht mehr auf das, was in ihrem Rücken geschah. Die Musik setzte ein. Irgendetwas sehr Jazziges, Fünfzigerjahre, schätzte Rosa. Nicht ihr Geschmack, und überraschend, dass es Tanos war.
Alessandro führte sie zwischen schwarzen Lavafelsen eine schmale Treppe hinauf, dann über einen zerklüfteten Wall wieder hinab zum Meer. Von hier aus waren weder die anderen noch die Jacht zu sehen. Es gab keinen Sand, nur schroffen Fels, gegen den die Brandung mit schäumender Gischt schlug.
»Wolltest du nicht zur Villa?«, fragte sie.
»Gleich.« Er hielt noch immer ihre Hand und klang nachdenklich. »Vorher zeig ich dir was.«
Es war gerade mal einen Tag her, da hatte sie ihm nicht über den Weg getraut. Und jetzt ließ sie zu, dass er sie alleinüber diese gottverlassene Insel führte. Aber genau das ist der Punkt, dachte sie: Ich lasse es zu. Alles bleibt unter Kontrolle.
Sie erreichten eine kleinere Bucht, die sich wie ein Trichter landeinwärts verengte. Dort klaffte eine Grotte im Lavagestein, ein schwarzer Schlund, der das Meer aufsaugte und wieder ausspie. Am Rand der Höhle, einige Meter oberhalb der fauchenden, gurgelnden Brandung, gab es ein winziges Plateau mit Blick auf das strudelnde Chaos weiter unten und die offene See.
Alessandro blieb stehen, als hielte ihn etwas zurück. Rosa aber kletterte weiter und nun war sie es, die ihm die Hand entgegenstreckte.
»Das war der Lieblingsplatz meiner Mutter«, sagte er, als er zu ihr heraufstieg. »Sie hat oft hier gesessen und gemalt.«
»War sie gut?«
»Ich wünschte, ich hätte nur ein Zehntel von ihrem Talent.«
»Du malst auch?«
»Manchmal.« Er winkte ab, als wäre es ihm unangenehm, darüber zu sprechen. »Nur für mich selbst.«
Sie sah sich auf dem Plateau um und entdeckte gehauene Stufen, die höher hinauf in den Lavahang führten. Plötzlich fiel ihr etwas ein. »Gaia, der Name der Jacht, war das –«
»Der Name meiner Mutter. Gaia Carnevare.«
Sie trat unmittelbar an den Rand der Fläche und blickte in die reißende Strömung. Abgründe übten seit jeher einen Sog auf sie aus, und hier war die Anziehung noch stärker als sonst. Sie glaubte zu verstehen, was Gaia Carnevare an diesem Ort so gefallen hatte.
Sie wandte sich von dem tosenden Mahlstrom ab und sah Alessandro fest in die Augen.
»Also«, sagte sie, »warum sind wir wirklich hier?«
Er zögerte nur kurz mit der Antwort. »Um herauszufinden, wer meine Mutter getötet hat. Und warum mein Vater es zugelassen hat.«
Gaias Geheimnis
S ie erklommen die schwarze Lavatreppe, arbeiteten sich höher hinauf auf den zerklüfteten Vulkankegel der Isola Luna.
Die Villa lag auf halber Höhe des
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