Arkadien 02 - Arkadien brennt
dass diese Leidenschaft vor allem seinem eigenen Wohlergehen galt. Trotzdem musste sie sich eingestehen, dass sie seine Stimme mochte.
Sie hätte sich verabschieden und Alessandro anrufen können, um ihn zu bitten, für sie mit seinem Verwandten zu sprechen. Aber gerade das wollte sie nicht. Jahrelang hatte sie mit ihren Problemen allein fertigwerden müssen. Sicher wäre Alessandro auch jetzt für sie da gewesen. Aber weder wollte sie sich allzu sehr auf ihn verlassen noch gerade jetzt von ihm aufgehalten werden.
»Tut mir leid, dass ich einfach so hier aufkreuze. Ich bin als Au-pair oben in Millbrook. Sie haben mir drei Tage freigegeben und ich dachte –«
»Du besuchst deine Verwandtschaft in der Stadt.«
Sie lächelte. »Eigentlich wollte ich Schuhe kaufen.«
Er blickte hinab zu ihren klobigen Grinders.
»Oh, nicht die«, fügte sie mit gespielter Empörung hinzu. »Die neuen sind im Hotel.«
»In welchem bist du?«
»Parker Meridien.« Das kannte sie, weil im Foyer die besten Hamburger der Stadt verkauft wurden.
»Gute Adresse. Nicht billig.«
»Zahlt alles die Familie.«
»Wer ist dein Vater?«
»Corrado Carnevare.« Ein Name, den Alessandro mal erwähnt hatte.
»Bin ihm nie begegnet.«
»Cesares Cousin.« Sie brachte einen Augenaufschlag in Richtung des Türstehers zu Stande. »Ich hab uns ein wenig verwandter gemacht, als wir sind. Tut mir leid.«
Er musterte sie noch immer, aber sie hatte das ungute Gefühl, dass er dabei nach wie vor mehr auf seine Nase vertraute als auf das, was er zu sehen bekam: ein blasses Mädchen mit gletscherblauen Augen, hellblondem Haar und nervösem Glanz auf der Stirn.
»Wie kann ich dir helfen?«, fragte er. Helfen . Wenn das seinBild von ihr war – gut so. »Du kommst doch nicht nur zu mir, um Hallo zu sagen.«
Sie schaute sich um, als müsste sie erst nach der Quelle des Lärms im Club Ausschau halten. »Es ist so laut hier«, brüllte sie gegen die Beats an.
»Michele«, sagte der Rausschmeißer und bog das Mikrofon seines Headsets zur Seite, »in einer halben Stunde müssen wir los. Die anderen sind fast so weit.« Er horchte noch einmal auf eine Stimme in seinem Kopfhörer, dann flüsterte er Michele etwas ins Ohr. Der verzog keine Miene, nickte nur.
Rosa wartete, bis er sich ihr wieder zuwandte, dann sagte sie: »Gibst du mir fünf Minuten?«
Michele Carnevare lächelte. »Komm mit.«
Sie folgte ihm hinter die Theke und durch einen schmalen Gang für das Personal. Am Ende führte eine Treppe auf eine Galerie aus Eisengittern, knapp unterhalb der Dunstdecke. Sie war für das Publikum gesperrt. Außer ihnen beiden befanden sich hier oben nur einige Sicherheitsleute, schwarz gekleidet und gleichfalls mit Headsets; sie beobachteten das Treiben am Boden aus der Höhe.
Rosas Blick fiel auf Danai Thanassis, die sich im Schutz ihrer Bodyguards zum Ausgang auf der anderen Seite der Halle bewegte. »Sie ist wunderschön«, sagte sie beeindruckt.
»Das denkt jeder hier.« Er ließ offen, ob das auch für ihn galt. »Sie lebt auf einem Kreuzfahrtschiff, das ihrem Vater gehört. Immer wenn die Stabat Mater in New York vor Anker liegt, kommt sie her. Ein, zwei Wochen lang jeden Abend, und dann ist sie wieder für ein paar Monate verschwunden.«
»Stabat Mater ? «
Er zuckte die Achseln und wechselte das Thema. »Also, Lilia Carnevare. Was genau kann ich nun für dich tun?«
»Ich suche eine Freundin«, sagte sie. »Eigentlich so eine Online-Bekanntschaft. Sie hat gesagt, wenn ich in Manhattanbin, soll ich sie besuchen und wir würden zusammen, na ja, losziehen.«
Er nickte so ernsthaft, als hätte sie ihm gerade seine Steuer erklärt.
»Jetzt meldet sie sich nicht, wenn ich sie anrufe.« Rosa hoffte, dass ihre Naivität nicht zu aufgesetzt klang.
»Und?«
»Ist scheiße von ihr.«
»Inwiefern hat das mit mir zu tun?« Sein Tonfall blieb ruhig.
»Wir sind Freundinnen, sie und ich. Dachte ich jedenfalls. Und jetzt lässt sie mich einfach hängen. Ich sitze in meinem blöden teuren Hotel oder mache Stadtrundfahrten, statt mit ihr um die Häuser zu ziehen.«
Er seufzte leise. »Hör mal, du bist süß und alles, aber ich hab es eilig und so ein Club läuft nicht von allein. Wenn ich dir helfen kann, dann –«
»Sie arbeitet hier, hat sie gesagt. Ist aber ’ne Weile her.«
»Wenn sie hier arbeitet, dann hat sie gerade alle Hände voll zu tun.«
»Ich will nur kurz mit ihr reden. Versprochen. Ich halte sie nicht auf.«
Er sah sie noch immer
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