Arkadien 02 - Arkadien brennt
diesem gefährlichen Katzenschnurren in der Stimme, das sie bei Alessandro anziehend fand, bei ihm nur bedrohlich.
Sie wollte sich wehren. Wollte ihm widersprechen. Wollte dem Mädchen dort oben zu Hilfe eilen.
Aber sie tat nichts von alldem. Starrte ihn nur an, spürte, wie etwas in ihr abstarb, vielleicht ihr Mitleid, vielleicht nur diese Anwandlung verzweifelten Muts, und dann nickte sie.
»Dort entlang«, flüsterte er und rannte voraus in den Tunnel. »Komm schon!«
Sie folgte ihm und hoffte, dass Jessys Kreischen und Heulen hier unten verstummen würde, aber stattdessen ertönte es noch lauter. Vielfaches Knurren und katziges Maunzen mischte sich darunter, als die Panthera einmal mehr um ihre Beute stritten, um dann, wie eben schon, von einem animalischen Brüllen zum Schweigen gebracht zu werden. Es klang nicht so wild und barbarisch wie vorhin, eher herrschaftlich. Ein kurzer Befehl in der Sprache der Panthera, und sofort herrschte Stille bis auf Jessys Weinen und Flehen.
Die Laute, die schließlich auch das Mädchen zum Verstummen brachten, ließen Rosa fast in die Knie gehen. Ein Schnappen und Reißen hallte durch den Tunnel, als fände das Festmahl der Panthera hier unten im Schatten statt, gleich neben Rosa.
Der Mann packte sie wieder und zog sie mit sich. »Sie töten uns beide, wenn sie uns einholen.«
»Du bist einer von ihnen.«
Er widersprach nicht.
»Warum hilfst du mir?«
Sie hatte alles erwartet und nichts. Einen Verbündeten Alessandros, einen seiner Spitzel im New Yorker Zweig seines Clans. Oder auch einen Panthera, der sie für sich allein haben wollte.
Nur nicht das.
»Wegen Valerie«, sagte er leise.
Sie fragte nicht weiter, sondern rannte nun schneller, fort von den Lauten des wütenden Fraßes in ihrem Rücken.
Sie erreichten das andere Ende des Tunnels, bogen in einen Seitenweg und liefen ein Stück am Ufer eines kleinen Sees entlang. Dann zog der Mann sie am Arm hinter sich her ins Unterholz, das hier nicht mehr ganz so wild wucherte. Sie befanden sich im Randbereich des Ramble, näherten sich der geordneten und gepflegten Parklandschaft.
Im Schutz einer Baumreihe, am Rand eines Hains, blieb er stehen und spähte hinaus ins Freie. Er war noch immer nackt und im Schein einer nahen Laterne sah sie, dass er zitterte. Seit ihn kein Pantherfell mehr schützte, fror er wie ein gewöhnlicher Mensch. Lange würden sie beide nicht durchhalten.
»Ist das der East Drive?«, flüsterte sie. Vor ihnen, jenseits eines schmalen Schneefelds, lag eine asphaltierte menschenleere Straße.
Er nickte. Seine Lippen waren blau.
»Aber du hast irgendein Ziel, oder?«, fragte sie zweifelnd.
»Nicht mehr weit.« Er schaute nach rechts und links, dann zurück über die Schulter. »Lauf!«
Sie verließen den schützenden Schatten der Bäume. Rosas Stahlkappenschuhe hinterließen tiefe Spuren im überfrorenen Schnee, während er barfuß darüber hinweghuschte, als wäre ein Teil von ihm noch immer eine Katze.
»Folgen sie uns?«, fragte sie.
»Sie werden sich erst satt fressen, wenn sie euch alle beisammenhaben. Sie tragen die ganze Beute an einen Ort, dann erst teilen sie alles auf.«
Sie überquerten die Straße und Rosa erwog, ihr nach Süden zu folgen. Er bemerkte ihren Blick und schüttelte den Kopf. »Am Übergang zum Terrace Drive gibt es eine Absperrung. Du würdest nicht weit kommen. Nicht als Mensch.«
»Wie heißt du?«, fragte sie, als sie die Bäume auf der anderen Seite erreichten. Die Stämme standen hier viel weiter auseinander. Es gab kaum Buschwerk, das ihnen Schutz bot.
»Mattia.«
»Carnevare?«
Er nickte erneut. »Du bist Rosa.«
Sie wollte fragen, woher er das wusste, aber er kam ihr zuvor.
»Valerie«, sagte er, »sie hat manchmal von dir gesprochen.«
Hinter ihnen erklang Triumphgebrüll, als die Meute hinaus auf das Schneefeld strömte.
Das Bootshaus
D er Schweiß auf Rosas Stirn war eiskalt. Ihr Gesicht fühlte sich an wie gelähmt. Sie rannte mit Mattia zwischen den Bäumen hindurch nach Osten, während die Panthera hinter ihnen heranjagten.
Wie lange noch, bis die Wirkung des Serums nachließ? Fünf Minuten? Sieben? Es gab keine Gesetzmäßigkeiten, auf jeden Arkadier wirkte es anders. Wenn sie Pech hatte, war sie noch zehn Minuten oder länger an ihren menschlichen Körper gebunden.
Und wer sagte, dass sie die Metamorphose diesmal durch ihren Willen herbeiführen konnte? Sie musste sich notgedrungen darauf verlassen, dass die Verwandlung bei Gefahr von
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