Arkadien 02 - Arkadien brennt
Panthera erreichten die Terrasse. Einige von denen, die noch keine Beute gemacht hatten, konnten ihre Gier nicht mehr zügeln und wurden schneller. Rosa rannte an Mattia vorbei, zog ihn im Laufen mit sich und gemeinsam warfen sie sich von innen gegen die schwere Tür. Sie fiel ins Schloss. Mattia drehte mit zitternden Fingern den Schlüssel herum. Draußen stießen mehrere Raubkatzen zorniges Heulen aus, Krallen scharrten am Metall. Ein ohrenbetäubendes Getöse.
»Die Fenster sind vergittert«, raunte Mattia ihr zu. »Sie kommen hier nicht rein, auch nicht als Menschen.« Seine Katzenaugen glühten so hell wie die einzige Notbeleuchtung über dem Eingang. Während sie ihn nur als Umriss wahrnahm, musste er sie so deutlich sehen können wie am Tag. Sie streckte eine Hand aus, die Finger so kalt, dass sie fürchtete, sie könnten beim geringsten Widerstand abbrechen. Zögernd berührte sie seine nackte Schulter. Wie aus Eis gegossen.
Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass es in dem Gebäude ungewöhnlich warm war. Die Heizungen liefen auf Hochtouren.
»Du hast das geplant«, stellte sie fest. »Mich herzubringen.«
Er nickte schwach. »Der Schlüssel lag vor der Tür, und die Heizung hab ich schon vor Stunden aufgedreht. War ja klar, in welchem Zustand wir hier ankommen würden.«
Er löste sich vom Eingang und öffnete einen kleinen Schaltkasten, ein Stück weit entfernt an der Wand. Ein Knopf leuchtete rot. Mattia drückte darauf.
»Die Alarmanlage«, sagte er laut genug, dass auch die anderen vor der Tür es hören konnten. »Sie ist jetzt eingeschaltet.«
Das Scharren brach ab. Etwas fiel in den Schnee – Jessys Leiche? – und nun ertönte Micheles Stimme. Er war wieder zum Menschen geworden.
»Wie lange wollt ihr euch da drinnen verkriechen? Bis zumMorgen?« Er gab einen Laut von sich, der vielleicht ein Lachen sein sollte, aber keines war, nur ein animalisches Kreischen. »Es ist schon jemand unterwegs, um die Männer mit dem Werkzeug zu holen.«
Mattia senkte die Stimme. »Wenn der Alarm losgeht, wimmelt es hier bald von Sicherheitsleuten. Das Risiko gehen sie nicht ein, bevor sie nicht irgendeinen Verantwortlichen aus dem Bett geklingelt und bestochen haben. Dafür brauchen sie mindestens eine Stunde. Bis dahin hat die Wirkung des Serums bei dir längst nachgelassen.«
Als ob das die Garantie dafür wäre, dass sie überleben würden. »Lösen wir den Alarm selbst aus«, sagte sie.
»Ich muss mit dir reden, bevor hier die Hölle losbricht«, entgegnete er. »Abgesehen davon würden sie uns beide hier finden, ich nackt und du … na ja, viel hast du auch nicht mehr an.«
Sie folgte seinem Blick auf ihre blau gefrorenen Beine. Von der Strumpfhose war kaum etwas übrig.
»Lieber vor Gericht als tot«, sagte sie, trat aber ans Fenster und schaute ins Freie. Die Panthera hatten sich an den Rand der Terrasse zurückgezogen. Nur Jessys Leichnam lag verdreht wie schmutzige Kleidung im Schnee, gut sichtbar vom Fenster aus. Ein Versprechen.
Rosa wandte sich ruckartig ab. Sie trat einen Schritt zur Seite und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Ziegelmauer. »Sie warten.«
»Gut. Das gibt uns Zeit.«
Lange Tische beherrschten einen düsteren Raum, der das ganze Erdgeschoss einnahm. Darauf standen mehrere Dutzend Modellboote, jedes nicht länger als einen halben Meter, mit spitzen Segeln, unzähligen Wimpeln und bunten Symbolen. An einer Seitenwand befand sich eine Werkbank mit Schraubstöcken, gestapelten Lackdosen, Plastikkanistern und aufgerolltem Segelstoff. Werkzeug war in Aufhängungen an der Wand darüber befestigt.
»Kinder und Touristen mieten die Boote und lassen sie auf dem Conservatory Water fahren«, sagte Mattia, als müsste sie das unbedingt wissen. »Ich repariere sie, wenn sie kaputt sind. Das sind sie ziemlich oft.«
Sie fixierte sein glühendes Augenpaar. »Der Plan?«
»Wir reden. Über Valerie.«
»Die töten uns, Mattia, egal, ob das Serum noch wirkt oder nicht.« Sie sank wieder gegen die Ziegelwand und spürte vor Kälte kaum, wie ihre Wirbel hart an den Fugen rieben, während sie langsam nach unten rutschte. Mit angezogenen Knien blieb sie am Boden sitzen. »Warum Valerie? Was hat sie damit zu tun?«
»Sie und ich«, sagte Mattia zögernd, so als wäre das ein Grund, sich zu schämen, nachdem er doch die ganze Zeit splitternackt neben ihr hergelaufen war, »wir waren zusammen. Und sie liebt mich noch immer, ich weiß das.«
Sie starrte ihn an. Fassungslos. Ihr war nicht
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