Arkadien 02 - Arkadien brennt
du die Mäntel alle verkaufst, kannst du dir tausend Lederjacken kaufen.«
»Dann hab ich nicht nur die Polizei, sondern auch alle Tierschützer Italiens am Hals.«
»Ich find sie toll!« Iole zog den Mantel über. Er war ihr viel zu groß, der Saum wellte sich rund um ihre Füße am Boden.
Rosa ging langsam zwischen den Leinensäcken hindurch. Vier Reihen – das machte rund dreißig Pelze je Deckenstange. Sie hingen in Abständen von einem halben Meter. Und wie es schien, ging die Kühlkammer jenseits der letzten Stoffhüllenweiter. Sie konnte die Neonröhren im hinteren Teil des Raumes sehen.
»Zieh dir auch einen an«, sagte Iole. »Sonst erkältest du dich noch.«
Wahllos zog Rosa einen der Mäntel aus seiner steifen Schutzhülle und schlüpfte hinein. Der Pelz fühlte sich weich und geschmeidig an, aber nicht nur als Vegetarierin war ihr die Berührung unangenehm.
Langsam drehte sie sich inmitten der Leinensäcke einmal um sich selbst. Auch ihr Mantel schleifte über den Boden. »Was soll ich mit all dem Zeug anstellen?«
»Beerdigen?«
»Was ist hinter den Mänteln, am anderen Ende?«
»Fässer«, sagte Iole achselzuckend.
Rosa runzelte die Stirn und eilte den schmalen Gang hinab. Die breiten Pelzschultern ihres Mantels streiften einige der Leinenbeutel auf ihrem Weg und versetzten sie in sanftes Schaukeln. Als sie zurückblickte, um zu sehen, ob Iole ihr folgte, war überall um sie herum gespenstische Bewegung. So als rührte sich etwas Lebendiges in den Kokons, das im nächsten Augenblick schlüpfen könnte. Iole machte sich einen Spaß daraus, noch weitere anzustoßen, und Rosa musste sich verkneifen, sie anzufahren; Iole trug nun wirklich keine Schuld an ihrer Nervosität.
Endlich kam sie ans Ende der Mantelreihen. Von weitem hatte es so ausgesehen, als würde der Gang nach hinten hin immer enger, aber sie hatte sich geirrt. Was sie für weitere Leinensäcke gehalten hatte, war in Wirklichkeit eine Wand aus weißen Plastikfässern. Doppelt übereinandergestapelt bildeten sie einen Wall, der fast von einer Seitenwand des Kühlkellers zur anderen reichte, quer zu den Gängen. Aber auch damit war das Ende des unterirdischen Raumes noch nicht erreicht. Rechts und links konnte man an der Mauer aus Fässern vorbeigehen.
Iole trat hinter ihr zwischen den schwingenden Mänteln hervor. »Fässer. Sag ich doch.«
»Weißt du, was drin ist?«
»Keine Ahnung.«
»Und dahinter?«
»Ein Schrank. An der Rückwand. Sonst nichts.«
Rosa trat an die Fässer und erkannte beim Blick durch die Zwischenräume, dass es dahinter eine zweite Reihe gab. Sie überschlug kurz die Anzahl und kam auf mindestens vierzig Fässer, jedes gut siebzig Zentimeter hoch und fünfzig im Durchmesser.
»Willst du reingucken?«, fragte Iole unternehmungslustig.
»Gleich.« Rosa setzte sich wieder in Bewegung und schaute um die Ecke des Fässerwalls. Sie hatte sich abermals getäuscht. Es waren nicht zwei, sondern vier Reihen der runden Plastikbehälter. Um die achtzig also.
Noch einmal blickte sie zurück zu Iole, die bereits zu ihr aufschloss. »Erst mal der Schrank. Was ist drin?«
»Er ist abgeschlossen.«
»Das hat dich vorn an der Tür nicht aufgehalten.«
»Mit einem Schlüssel .«
»Hast du nicht versucht ihn aufzubrechen?«
»Ein bisschen. Ging aber nicht.«
»Sehen wir’s uns an.«
Mit Verschwörermiene folgte Iole ihr. Zwischen der letzten Fässerreihe und der Rückwand lagen drei Meter freie Fläche. Vor der Mauer stand ein grauer Eisenschrank, wuchtig wie ein Altar.
Rosa untersuchte das Schloss. Nichts Kompliziertes. Costanza musste ganz auf den Zahlencode am Eingang vertraut haben. Auf den Straßen von Crown Heights hatte sie Autos geknackt. Das hier war ein Kinderspiel. »Ich brauche irgendwas Spitzes.«
Iole lief zurück um die Fässer und Rosa hörte sie mit den raschelnden Leinensäcken hantieren. Wenig später kehrte sie mit einem Drahtkleiderbügel zurück.
Rosa brauchte keine Minute, dann klickte es im Türschloss des Schranks. »Voilà«, sagte sie, trat einen Schritt zurück und ließ den verbogenen Bügel zu Boden fallen.
Iole wippte aufgeregt von einem Fuß auf den anderen.
Die Türflügel quietschten, als Rosa sie nach außen zog.
Das Neonlicht reflektierte auf Glas. Zahllose Ampullen mit einer gelblichen Flüssigkeit waren auf fünf Regalböden aufgereiht. Alle waren unbeschriftet, Reihe um Reihe der daumengroßen Glasbehälter.
Rosa nahm einen heraus und hielt ihn ins Licht. Der
Weitere Kostenlose Bücher