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Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nie welche hätte.«
    Iole verzog den Mund und sah sie an, als wollte sie sagen: Nun überleg mal genau, was du da sagst.
    Rosa ächzte schuldbewusst und zog Iole mit sich zum Ausgang. Blitzschnell wuselten die Schlangen auf ihrem Weg zur Seite und bildeten eine Gasse. Rosa war froh, als sie das Glashaus verließen und die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. Es war kein Widerwillen gegen die Nähe der Schlangen, vielmehr die Irritation darüber, dass sie sich in ihrer Gegenwart von Woche zu Woche wohler fühlte.
    Es gab mehrere Zugänge zu den Kellern des Palazzo. Sie benutzten die enge Treppe, die sich hinter einer Tür in der Küche befand, unweit der offenen Feuerstelle, in der früher ganze Schweine geröstet worden waren.
    Der Schacht war schmal und wurde seit Jahren nicht mehr benutzt. Iole ging voraus, warnte Rosa vor zu kurzen Stufen und Spinnweben und gefiel sich merklich in der Rolle der Führerin. Als sie einen altmodischen Drehschalter an der Wand betätigte, flammten runde Gitterlampen unter der Korridordecke auf.
    Nach dem tropischen Klima des Glashauses war es hier unten empfindlich kalt. Ein sanfter Luftzug roch nach schimmelndem Gestein und Moder.
    »Ich muss dich mal was fragen«, sagte Rosa, während sie Iole durch die Ziegelsteingänge folgte. Das Mädchen trug mit Vorliebe weiße Kleider – womöglich, um sich von Rosas ewigem Schwarz zu emanzipieren – und hatte eine starke Abneigung gegen alles, was eng am Körper anlag. Im trüben Halblicht verlieh ihr der wehende Stoff etwas Feenhaftes.
    »Was denn?«
    »Ich weiß nicht, ob du überhaupt darüber sprechen willst.«
    Iole blickte sich nicht zu ihr um. »Wie es war, als ich gefangen war?«
    Rosa seufzte leise. »Ja. Aber mir geht’s um was ganz Bestimmtes.«
    »Frag ruhig.«
    »Was hast du für die Männer empfunden, die dich festgehalten haben? War das Hass oder Wut oder Angst? Eine Mischung aus allem? Oder etwas ganz anderes?«
    Iole schüttelte den Kopf. Nach wie vor sah Rosa sie nur von hinten. »Gar nichts.«
    »Nichts?«
    »Ich hab nur an sie gedacht, wenn sie gekommen sind, um mir Essen oder Kleidung zu bringen. Oder wenn sie mich in ein anderes Versteck gebracht haben. Ansonsten hab ich getan, als würden sie gar nicht existieren. Wie wenn man im Wasser untertaucht und sich die Ohren zuhält – man hört einfach gar nichts mehr. Das klappt auch mit Gefühlen. In dir geht einfach alles zu, alles wird ganz dicht. Und dann ist es, als wäre man taub für Gefühle. Man spürt sie nicht mehr.« Sie blieb stehen und drehte sich um. »Klingt ein bisschen irre, oder?«
    Rosa umarmte sie. »Nein, gar nicht irre.«
    Iole löste den Kopf von Rosas Schulter und sah sie an. »Warum fragst du?«
    »Nur so.«
    »Das ist gelogen.« Iole neigte den Kopf ein wenig und musterte sie sorgfältig. »Hältst du jemanden gefangen?«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Da war einer bei den Männern, die mir Sachen gebracht haben. Er sah immer ein bisschen traurig aus, so als würde er sich schämen. Du guckst genau wie er.«
    Rosa machte einen Schritt zurück, schüttelte den Kopf und fuhr sich durchs Haar. »Lass uns weitergehen, ja?«
    Iole zuckte die Achseln. »Du musst darauf achten, dass es immer was zu trinken gibt. Und was zu essen. Nicht zu süß oder zu scharf. Außerdem einen Fernseher. Sonst wird man ganz dumm im Kopf.«
    Rosa wusste nicht, wie gut Trevini Valerie verpflegte, aber sie war sicher, dass es in ihrer Zelle keinen Fernseher gab. Merkwürdigerweise bereitete ihr ausgerechnet das nun ein schlechtes Gewissen.
    Iole war weitergegangen und Rosa beeilte sich, mit ihr Schritt zu halten. Sie war schon einmal hier unten gewesen, aber nichts kam ihr bekannt vor. Das grobe braune Mauerwerk; die wehenden Spinnennetze vor den Glühbirnen in ihren Käfigen; der gebrochene Beton unter ihren Füßen, der irgendwann einmal über noch ältere Böden verteilt worden war – als wollte der Palazzo erstmals sein wahres Gesicht zeigen, das hinter halbherzigen Instandsetzungen verborgen lag.
    »Kalt hier unten.« Im Gehen schlang sie die Arme um ihre Schultern.
    »Gleich wird’s noch kälter«, sagte Iole.
    Kurz darauf erreichten sie den Vorraum des Kühlhauses. Sie waren nur wenige Minuten unterwegs gewesen, aber Rosa kam es vor, als wäre eine Stunde verstrichen. Unter der Deckeerwachten summende Neonröhren. Der Raum war leer bis auf einen Metallkasten neben einer schweren Eisentür.
    »Und du bist schon da drinnen gewesen?«
    Iole nickte. »Sarcasmo

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