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Arkadien 03 - Arkadien fällt

Arkadien 03 - Arkadien fällt

Titel: Arkadien 03 - Arkadien fällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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in der Menge?«
    Der Antiquar neigte den Kopf. »Was genau weißt du über sie?«
    »Nicht viel. Jemand hat mir mal davon erzählt. Von Stellen in großen Menschenmengen, die immer leer bleiben und sich durch die Massen bewegen wie etwas, das lebt. ›Wer geht in den Löchern in der Menge?‹, hat er mich gefragt. Das war alles.«
    »Hatte er Moris Buch gelesen?«
    »Könnte sein.«
    »Bei Katastrophen dieser Größenordnung kommt es in der Regel zu Massenpaniken, zu gewaltigen Menschenbewegungen, die sich durch die Straßen der brennenden oder überfluteten Städte wälzen. Und dabei werden – jedenfalls laut Leonardo Mori – die Löcher in der Menge am deutlichsten sichtbar. ›Wer geht in den Löchern in der Menge?‹ ist ein Zitat aus seinem Buch. Mori stellt diese Frage gleich mehrfach, doch am Ende findet auch er keine befriedigende Antwort.«
    »Hatte er eine Theorie?«
    »Mori war kein Wissenschaftler. Letztlich war er nichts als ein sensationslüsterner Schmierfink, aber einer mit einem gewissen Talent in der Auswahl seiner Themen und mit großer Beharrlichkeit. Das Mysterium der Löcher hat ihn nie losgelassen. Er war überzeugt, dass sie keine zufälligen Erscheinungen waren, sondern lebendige Wesenheiten – so hat er sie genannt. Unsichtbare Mächte, keine harmlosen Beobachter, sondern die Verursacher all jener Katastrophen.«
    Ihr fiel etwas ein, das sie als Kind im Religionsunterricht aufgeschnappt hatte. »Wie die Engel, die Gott ausgesandt hat, um Sodom und Gomorrha zu zerstören?«
    »Mori war kein Christ. Soweit ich weiß, hat er nicht an Gott geglaubt. Nicht an den einen Gott. Und schon gar nicht an seine Engel.«
    »Sondern?«
    »Wer weiß das schon? Die Götzen der Antike vielleicht. Zeus und all die anderen auf dem griechischen Olymp. Jupiter und die Gottheiten der Römer. Letztlich sind die Mythen alle ähnlich, immer geht es um Wesen, die größer sind als wir, älter und mächtiger und ohne Gnade.«
    Sie rückte sich unbehaglich auf dem Stuhl zurecht. »Mori hat wirklich geglaubt, diese unsichtbaren Wesen hätten all die Erdbeben und Vulkanausbrüche ausgelöst? Dass sie dafür verantwortlich waren?«
    Der alte Mann nickte. »Und die Menschenmassen haben sie in gewisser Weise sichtbar gemacht, indem sie um sie herumgeflossen sind. So, wie sie es auch bis in die Neuzeit noch tun. Er hat Augenzeugenberichte von 1908 gefunden, die sich fast wörtlich mit anderen decken, die zwei- oder dreitausend Jahre alt sind.« Die schmalen Lippen des Antiquars wirkten jetzt blutleer. »Fest steht jedenfalls, dass Mori tot ist. Auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen. Und dass er zum Zeitpunkt seines Todes an einem zweiten Buch gearbeitet hat, das der nächste Schritt in seiner Beweisführung werden sollte. Ich weiß nicht, was genau es war, aber es ging wohl um etwas, das er in Die Löcher in der Menge nur angerissen hat. In seinem neuen Buch wollte er diesen Aspekt detaillierter ausführen. Er hat behauptet, dass er auf Verbindungen gestoßen sei, die bis in die Gegenwart reichen. Zu Menschen, die heute leben, mitten unter uns, und die tief in diese Geschichte verstrickt sind.« Der Blick des Antiquars wurde stechend. »Irgendetwas hatte er ausgegraben. Etwas so Aufsehenerregendes, dass jemand überzeugt war, Leonardo Mori müsse ein für alle Mal zum Schweigen gebracht werden.«

Einbruch
    I hr war schwindelig, als sie wieder ins Freie trat, in einer Hand das Katalogheft, das der alte Mann ihr gegeben hatte, in der anderen Alizas Handy. Sie musste so schnell wie möglich Alessandro anrufen.
    Sie eilte zurück zu dem Brunnen, an dem sie schon auf dem Hinweg vorbeigekommen war, setzte sich auf die Stufen und wählte aus Alizas Nummernliste das Handy ihrer toten Schwester Saffira aus. Alessandro nahm nach dem ersten Klingeln ab.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Sicher.« Seine Sorge ließ sie lächeln. »Ich war nur in einem Buchladen .«
    »Während halb Sizilien nach dir sucht.«
    Der kleine Platz, an dessen Rand der Steinbrunnen stand, war bis auf Rosa menschenleer. Dennoch rückte sie auf der kreisförmigen Stufe um den Brunnen, bis sie an der Rückseite saß. Durch ihre Sonnenbrille blickte sie auf eine fensterlose Hauswand. Im Flüsterton erzählte sie ihm alles, was sie von dem Antiquar erfahren hatte.
    »Lass uns mal spekulieren«, sagte er, nachdem sie fertig war. »Mori hat also dieses Buch über die Löcher in der Menge geschrieben. Aus irgendeinem Grund gerät es im Gefängnis in die

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