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Arkadien 03 - Arkadien fällt

Arkadien 03 - Arkadien fällt

Titel: Arkadien 03 - Arkadien fällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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hatte. »Die Zeremonie wurde vollzogen, und die Arkadier, die den Bürgerkrieg überlebt hatten, wurden Zeugen eines historischen Friedenspakts zwischen Panthera und Lamien – des Konkordats. Die letzten Opfer des Thronstreits, das unglückliche Paar, wurden feierlich beigesetzt und man begann mit dem Wiederaufbau.
    In den folgenden Jahrzehnten erholte sich das Reich, die Arkadier fanden zurück zu ihrem alten Selbstbewusstsein und begannen, Expansionspläne zu schmieden. Für einen offenen Krieg gegen die damaligen Seemächte des Mittelmeeres, vor allem Griechenland, war man noch nicht stark genug, deshalb entschied man sich für einen anderen Weg. Spione wurden ausgesandt, Kaufleute, Diplomaten, selbst Soldaten, die sich der griechischen Armee anschlossen. Auf diese Weise machten sich die Arkadier daran, den Staat zu unterwandern. Sie besetzten hohe Positionen und zweigten Reichtümer für sich und ihr Volk daheim ab.
    Mehr und mehr wurden die Arkadier zu Puppenspielern der Politik Griechenlands. Nach außen hin mochte nichts davon zu bemerken sein, insgeheim aber zogen sie die Fäden durch Beratung, Bestechung und Einschüchterung. Arkadien wurde reicher und seine Städte erblühten von neuem, prachtvoller noch als zu Zeiten Lykaons. Das Konkordat, der Pakt der beiden Dynastien, brachte Wohlstand für die Herrschenden und eine gewisse Sicherheit für das einfache Volk, das nun weder Armut noch Krieg befürchten musste.
    Wir wissen nicht genau, wie lange dieser Zustand letztlich angehalten hat. Vieles von dem, was ich euch erzähle, basiert auf Mythen und Legenden. Eine offizielle Geschichtsschreibung gibt es nicht – oder sie ist bis heute unentdeckt geblieben. Auch konkrete Jahreszahlen sind nicht bekannt, aber wir können annehmen, dass die Doppelherrschaft der Lamien und Panthera mindestens hundert bis zweihundert Jahre anhielt, wenn nicht länger. Erst dann geschah schließlich, woran schon so manches Volk zu Grunde gegangen ist.
    Die Arkadier wurden hochmütig. Triumph folgte auf Triumph, aus den griechischen Kolonien sprudelte Reichtum auf die Insel, alles, was man anpackte, schien zu gelingen. Da entschieden die Dynastien, dass es an der Zeit wäre, Ruhm und Fortschritt Arkadiens ein Denkmal zu setzen. Mit dem Grab des Lykaon hatte man bewiesen, dass arkadische Baumeister zu Großem fähig waren und das Volk bereitwillig eine solche Aufgabe ausführte. Nun aber sollte ein Bauwerk entstehen, wie es zuvor keines gegeben hatte. Kein Grab, kein Turm zu Babel, erst recht kein Tempel für die Götter – sondern eine Brücke, die Arkadien mit dem Festland verbinden sollte. Eine Brücke, über die arkadisches Genie nach außen und das Gold der anderen Völker auf die Insel fließen sollte.«
    Rosa hatte sich die ganze Zeit über kaum bewegt, nur ab und an das Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagert. Jetzt aber konnte sie nicht anders, als ruhelos ein paar Schritte durch den Raum zu gehen.
    »Diese Brücke«, sagte sie, »die Insel und das Festland … Arkadien ist nie Atlantis gewesen oder irgendeine andere Insel, die im Meer versunken ist. Arkadien war Sizilien.«
    »Sizilien ist ein Teil davon«, bestätigte Thanassis. »Das, was davon übrig geblieben ist.«
    Alessandro verschränkte die Hände am Hinterkopf. »Und diese Brücke sollte über die Straße von Messina führen? Auf derselben Route, die vor ein paar Jahren die Dallamanos vermessen haben, um dort eine neue Brücke zu errichten? Die, die von der Regierung in Rom beschlossen worden ist?«
    »Ganz richtig.«
    Rosa kaute auf einer Haarsträhne, während sich in ihrem Kopf endlich alles zusammenfügte. »Aber die Statuen im Meer, die Trümmer rundum … bedeutet das, dass die Brücke der Arkadier tatsächlich gebaut worden ist? Dass die Statuen ihre Überreste sind?«
    »Die Brücke wurde errichtet«, sagte Thanassis, »zig Kilometer über die offene See hinweg. Damals war der Küstenverlauf noch ein anderer und die Insel war größer, dennoch musste eine ungeheuere Strecke überwunden werden. Dazu hat man nicht die kürzeste Route ausgewählt, sondern jene, an der das Meer am seichtesten war. Gigantische Pfeiler wurden errichtet, dreißig, vierzig Meter unter der Oberfläche, und ganze Generationen kamen und gingen, während das Bauwerk unendlich langsam, aber beständig seiner Vollendung entgegenwuchs.
    Hätten die Dynastien es damit bewenden lassen, wer weiß, vielleicht hätten sie nicht solches Unheil auf ihr Reich herabbeschworen.

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