Arkadien 03 - Arkadien fällt
als ein blitzschneller Schemen über den Vorplatz der Villa jagte. Sie hatte es bereits aufgegeben, die Monitore bestimmten Hybriden zuordnen zu wollen. Nur Mirellas Stimme konnte sie dann und wann identifizieren.
Weitere Schüsse fielen, ein regelrechtes Trommelfeuer. Zwei Monitorbilder erstarrten in kurzer Folge hintereinander. Die Träger der Kameras waren zusammengebrochen und regten sich nicht mehr.
Das meiste flimmerte wie eine Abfolge von Bildstörungen an Rosa vorüber. Schaute sie zu lange auf einen der Monitore, wurde das Schwindelgefühl fast übermächtig. Wechselte sie zu rasch von einem zum anderen, um möglichst viele Informationen aufzunehmen, wurde ihr ebenfalls übel. Trotzdem übten die verrauschten, verpixelten Aufnahmen einen Sog aus, dem sie nicht widerstehen konnte.
Zeitweilig hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil das Geschehen sie nicht stärker berührte – auf der Insel starben Menschen und Hybriden –, aber aus irgendeinem Grund drang das mit all seiner Konsequenz nie ganz zu ihr durch. Es war wie bei den Kriegsbildern im Fernsehen, aufgezeichnet von Kameras an ferngesteuerten Drohnen oder Raketensprengköpfen: Man wusste, dass die Staub- und Rauchwolken auf dem Bildschirm den Tod von Menschen bedeuteten, aber letztlich ließ es einen kalt.
Wäre da nicht die Gewissheit gewesen, dass es bei dem Gefecht auf der Insel um das Leben von Iole, Cristina di Santis und Raffaela Falchi ging, wäre sie vielleicht gemütlich zum Kaffeeautomaten draußen auf dem Gang geschlendert und hätte sich einen Espresso gezogen. Und das erschreckte sie fast mehr als alles, was sie auf der Monitorwand zu sehen bekam.
Alessandro hielt sie noch immer im Arm und sie meinte zu spüren, wie sich seine Haut unter dem Shirt bewegte. Pantherfell entstand als feiner Flaum unter dem Stoff und verschwand wieder. Anders als sie selbst schien er am liebsten eingreifen zu wollen. Sie hatte die kühle Distanz der Schlange geerbt, er die Heißblütigkeit des Panthers.
Auf einem der Monitore war unscharf und verzerrt etwas zu sehen, das groß und vielbeinig war. Ein Hybrid wagte sich nah heran und hielt sekundenlang schreckensstarr die Kamera auf etwas gerichtet, das wie eine schwarze Perlenkette aussah – den Augenkranz eines Spinnengesichts. Dann wurde er von den Hauern des Arachnids gepackt. Auf einem zweiten Monitor, aus der Sicht eines anderen Hybriden, war zu erahnen, was mit dem Unglücklichen geschah. Zuletzt erlosch alles in einem weißen Pixelinferno. Ununterbrochenes Mündungsfeuer überlagerte alle Bilder. Als die Schüsse abklangen, lag ein nackter Mensch reglos zwischen den Überresten des zerfetzten Hybriden. Mirella keuchte atemlos eine Verlustmeldung.
Bald darauf kam es zur letzten Konfrontation mit den Besatzern. Nicht die zitternden Bilder gaben Aufschluss über den Schauplatz, sondern undefinierbarer Lärm, der sich erst im Abklingen als Bersten großer Glasscheiben entpuppte. Mehrere Hybriden waren in der Villa auf Widerstand gestoßen.
Lange hielten die Verteidiger nicht durch. Als die Scheiben zu Bruch gingen und Hybriden ins Innere strömten, wurden die Männer im Gebäude überrannt. Weiterhin peitschten Schüsse und Rosa befürchtete, dass die Gefangenen exekutiert wurden. Sie suchte in sich nach einer Regung, die über oberflächlichen Schrecken und moralische Verurteilung hinausging – aber dann musste sie daran denken, dass diese Männer tagelang Jagd auf ein fünfzehnjähriges Mädchen gemacht hatten, das sich vor ihnen in einem dunklen, kalten Bunker verstecken musste. Und dennoch blieb die beunruhigende Gewissheit, dass dies alles nur bedingt zum Bild vom sicheren Leben an Bord der Stabat Mater passte. Mehr und mehr kam sie zu dem Schluss, dass Evangelos Thanassis in der Wahl seiner Mittel so kompromisslos war wie seine Feinde.
Nachdem alle Schüsse verhallt und die Kameras der Toten abgeschaltet waren, nachdem Verlustzahlen genannt und trotzdem von Erfolg gesprochen wurde, fragte Rosa:
»Was ist mit Iole?«
Danai, die gerade eine leise Unterredung mit dem Kapitän beendet hatte, zählte die Wärmepunkte auf dem Bildschirm. »Deine Freundinnen kommen nicht aus dem Bunker. Wahrscheinlich sind sie nicht sicher, was genau an der Oberfläche geschehen ist.«
»Jemand sollte zu ihnen runtergehen und mit ihnen reden«, sagte der Kapitän. »Jemand, dem sie vertrauen.«
Alessandro nickte. »Ich.«
Rosa sagte: »Wir.«
Da knisterte Mirellas Stimme aus den Lautsprechern. »Einer
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