Arktis-Plan
aufgelöst hatte. Da es unter großem Druck stand, war das Eis explosionsartig zersplittert, und schieres Glück musste ihn nach außen geweht haben, denn sonst wäre der Eisbruch auf ihn heruntergegangen, hätte ihn mitgerissen und ihn unter sich begraben. Er war auch nicht auf die Felsbank geprallt. Folglich musste er irgendwo unter ihr hängen.
Vorsichtig streckte er die Arme aus und tastete, erkundete den leeren Raum um sich herum und versuchte, etwas Festes darin zu finden. Die Fingerspitzen seiner rechten Hand streifen flüchtig eine Felswand. Unter der Felsbank musste der Berghang leicht konkav geformt sein. Er konnte nicht sagen, wie tief er unter der Felsbank hing. Und er hätte auch nicht sagen können, wie viel leere Luft sich unter ihm befand – vielleicht waren es nur fünfzig Zentimeter, aber es konnten ebenso gut fünfzig Meter sein.
Er nahm eine kurze Bestandsaufnahme seiner körperlichen Verfassung vor. Er war voller Schrammen und Beulen, aber es schien
alles zu funktionieren. Er musste am äußeren Rand des Eisbruchs hinabgestürzt sein, und das elastische Nylonseil hatte die Wucht seines Falls zum Teil abgefangen. Dennoch setzte ihm die Kälte zu, er fühlte sich schwach und seine Verfassung verschlechterte sich rasch.
Bedauerlicherweise konnte er im Moment nichts tun, außer Hand über Hand am Sicherungsseil hochzuklettern, aber dazu fehlten ihm die Steigklemmen.
Und was war mit den anderen? Waren Val und Smyslov von der Lawine mitgerissen worden? Er blickte mit zusammengekniffenen Augen durch den Schnee nach oben und konnte den Rand des Simses über seinem Kopf im schwachen rötlichen Licht als Umriss erkennen. Der erste Leuchtstab, den sie hinuntergeworfen hatten, war ausgegangen. Jemand musste dort oben einen zweiten aktiviert haben. Das hieß also, es musste noch jemand am Leben sein. Er kämpfte gegen die Enge des Klettergurts an und versuchte, seine Lunge mit Luft zu füllen, damit er nach ihnen rufen konnte.
Dann drang etwas in den Lichtkreis seines Leuchtstabs vor, es glitt an dem gestrafften Sicherungsseil hinunter. Ein weiteres Seil mit einer Schlaufe am Ende war mit einem Karabinerhaken an dem Sicherungsseil befestigt worden. Die Fußschlinge für eine Bergungsvorrichtung nach dem Flaschenzugprinzip.
Smith fing das heruntergelassene Seil auf. Er entwirrte es und ließ die Schlaufe über einen Stiefel gleiten. Am Sicherungsseil zog er sich in eine aufrechte Haltung hoch, und als er in der Schlaufe stand, zog er an der Rettungsleine, um das Zeichen zu geben, dass sie ihn hochziehen konnten. Das Rettungsseil straffte sich und jemand auf der Felsbank begann ihn hochzuhieven, wobei auch dem Sicherungsseil nicht das geringste Spiel gelassen wurde.
Während er zu der Felsbank hochgezogen wurde, hatte Smith reichlich Zeit, sich zu fragen, was ihn dort oben erwarten würde. Eines stand mit Sicherheit fest: Valentina Metrace besaß nicht die Erfahrung im Bergsteigen, um einen derart geschickten Flaschenzug zu improvisieren.
Er wurde abgelenkt, weil er sich von der Wand abstoßen musste, deshalb bemerkte er gar nicht, dass er schon dicht unter dem Vorsprung war. Plötzlich streckten sich Hände nach unten, packten seinen Gurt und halfen ihm, sich über den Rand hochzuhieven.
Das Gefühl, Fels unter sich zu haben, war so großartig wie kaum ein anderes Gefühl in der letzten Zeit. Er kauerte auf Händen und Knien und kostete die Festigkeit unter sich aus. Jetzt erst gab er einem übermächtigen Zittern nach, wehrte sich aber gegen den neuerlich auftretenden Sog der Schwärze, der ihn mit sich zu reißen drohte. Wie ein verwundeter Bär schüttelte er den Kopf und sah sich auf der Felsbank um. Im zuckenden roten Licht des zur Hälfte ausgebrannten Leuchtstabs konnte er die komplizierte Konstruktion des Flaschenzugs mit zahlreichen Verankerungen, Schlingen und Prusik-Knoten und die flach ausgestreckten Körper von Valentina und Smyslov erkennen. Die beiden wirkten restlos erledigt. Sie sahen so aus, wie er sich fühlte.
Smith atmete tief die eisige Luft ein. »Flüssigkeit und Energieriegel«, sagte er heiser. »Jetzt sofort.«
Sie drängten sich dicht auf der Felsbank zusammen, tranken abwechselnd einen Schluck Wasser, das von ihren eigenen Körpern warm gehalten worden war, und knabberten Schokolade mit Vitaminzusätzen, damit ihr Stoffwechsel die unzumutbaren Belastungen verkraften konnte.
Smith fielen die schwarzen Blutflecken auf dem Ärmel von Smyslovs Schneejacke auf. »Wie
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