Arktis-Plan
und schreckte jetzt aus dem Halbschlaf auf. Valentina Metrace stand im Gang. In der Hand hielt sie eine Tasse mit dampfend heißem Kaffee, und auf ihrem Gesicht drückte sich eine Spur von Belustigung aus.
Smith grinste sie an. »Nein, überhaupt nicht.«
Sie schwebte an ihm vorüber, um es sich auf dem Fenstersitz bequem zu machen. Die Professorin zählte anscheinend zu dem Typ Frau, der jederzeit Wert auf Eleganz legte. Heute Morgen trug sie einen eng anliegenden schwarzen Pullover und eine dazu passende Skihose. Ihr Haar hatte sie zu dem schicken Nackenknoten aufgesteckt, den sie vorzugsweise zu tragen schien. Smith ertappte sich dabei, dass er sich fragte, wie tief dieser dunkle, schimmernde Wasserfall wohl über ihren Rücken floss, wenn sie ihm freien Lauf ließ.
Trotz der angenehmen Ablenkung sah er sich schnell um und überprüfte seine unmittelbare Umgebung. Die Plätze auf der anderen Seite des Gangs und die Sitzreihen hinter ihnen waren nach wie vor frei und gestatteten ihnen eine gewisse Privatsphäre.
Valentina war ebenfalls vorsichtig, denn als sie sprach, senkte sie ihre Stimme und achtete darauf, dass sie vom Dröhnen der Turbinen übertönt wurde.
»Ich dachte mir, wir könnten diese Gelegenheit nutzen, um offen miteinander zu reden, bevor unser Verbindungsmann zu uns stößt. Sagen Sie, Colonel, wie gedenken Sie sich unserem tapferen russischen Verbündeten gegenüber zu verhalten?«
Das war eine gute Frage. »Solange das Gegenteil nicht erwiesen ist, werden wir davon ausgehen müssen, dass alle Brüder tapfer und alle Schwestern tugendhaft sind«, erwiderte Smith. »Solange es den Anschein hat, als spielten die Russen mit offenen Karten, werden auch wir uns so geben. Aber das Wort, auf das es ankommt, ist ›Anschein‹. Unsere Anweisungen lauten, so zu spielen, als wären die Karten gezinkt. Wir müssen davon ausgehen, dass die Russen etwas im Schilde führen.«
Valentina Metrace trank einen Schluck von ihrem Kaffee. »Das liegt ja wohl auf der Hand.«
Beim Reden mussten sie die Köpfe zusammenstecken, und Smith konnte nicht umhin zu bemerken, dass seine Stellvertreterin angenehm nach Fleurs des Alpes von Guerlain roch. »Falls die Russen versuchen sollten, uns übers Ohr zu hauen«, sagte er und faltete die Hände vor seinem Bauch, »dann stellt sich die Frage, worauf sie es abgesehen haben und warum. Was haben wir übersehen?«
»Vermutlich kämen wir der Sache näher, wenn wir die Frage umformulieren und sagen: Was wollen sie unter allen Umständen vor uns verbergen?«, erwiderte sie. »Seit mir dieser Job aufs Auge gedrückt worden ist, habe ich mich mit ein paar Kollegen kurzgeschlossen, die wirklich Ahnung haben, und etwas recht Interessantes über den Absturz der Misha 124 in Erfahrung gebracht.
Seit dem Ende des Kalten Krieges ist es durch die Perestroika und Glasnost zu einem regen Informationsaustausch unter Militärhistorikern auf beiden Seiten gekommen. Ohne uns um die Sicherheit sorgen zu müssen, haben wir gefragt, warum dies oder jenes getan wurde, wo und von wem. Auf die meisten unserer Fragen haben wir Antworten bekommen.
Bis zum heutigen Tage sind unsere Kollegen in der Russischen Föderation bemerkenswert mitteilsam gewesen, sogar, was ihre groben militärischen Schnitzer wie gesunkene Atom-U-Boote und ausgetretenes Nervengas angeht.
Aber in diesem Punkt eben nicht. Vor der Entdeckung der Misha
sind wir in all den Militärakten der Luftwaffe der ehemaligen Sowjetunion, in die uns Einblick gewährt worden ist, auf keine Tu-4-Staffel gestoßen, die im März 1953 irgendwo bei einer wie auch immer gearteten Routineübung ein Flugzeug verloren hat.«
»Und es wurde auch nirgends der Absturz eines mit biologischen Kampfstoffen aufgerüsteten Flugzeugs in der Arktis erwähnt, bei dem zwei Tonnen Anthrax im Spiel waren?«, half ihr Smith auf die Sprünge.
Sie schüttelte den Kopf und strich sich dann eine Strähne ihres rabenschwarzen Haars aus der Stirn. »Kein Sterbenswörtchen, bis die Russen das Thema gegenüber unserem Präsidenten zur Sprache gebracht haben.
Es kann gut sein, dass Informationen über eine biologische Kampfstoffladung aus Sicherheitsgründen zurückgehalten wurden. Aber dieses spezielle Flugzeug und seine gesamte Besatzung sind aus allen Standarddokumenten der russischen Luftwaffe vollständig getilgt worden. Sie wollen dieses Thema dringend für immer aus der Welt schaffen. Und ich glaube, die Russische Föderation bekennt sich jetzt nur deshalb zu
Weitere Kostenlose Bücher