Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
Vom Netzwerk:
austronesischer Sprachen auf der Ma­laiischen Halbinsel und in kleinen Gebieten in Viet­nam und Kambodscha nahe den westlichsten indone­sischen Inseln Sumatra und Borneo; daneben werden sie auf dem Festland jedoch nirgendwo gesprochen (sie­he Abbildung 16.1). Eine Reihe austronesischer Wörter hat Eingang in europäische Sprachen gefunden, zum Beispiel »Tabu« und »Tattoo« (aus einer polynesischen Sprache) und »Amok«, »Batik« und »Orang-Utan« (aus dem Malaiischen).
    Die genetische und sprachliche Uniformität Indone­siens und der Philippinen ist zunächst ebenso überra­schend wie die weitgehende sprachliche Uniformität Chi­nas. Der berühmte javanische Homo erectus beweist, daß zumindest der westliche Teil Indonesiens seit einer Million Jahren von Menschen bewohnt ist. Diese lan­ge Zeitspanne sollte den Bewohnern genügt haben, um sich genetisch und sprachlich zu differenzieren und sich an die tropischen Bedingungen anzupassen, doch statt dessen sind Indonesier und Filipinos hellhäutig.
    Überraschend ist auch, daß Indonesier und Filipinos neben ihrer Hellhäutigkeit und genetischen Verwandt­schaft mit Südostasiaten und Südchinesen diesen noch in anderer Hinsicht physisch stark ähneln. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, daß Indonesien die einzige mögli che Route darstellte, über die Menschen vor 40 000 Jah­ren nach Neuguinea und Australien gelangen konnten, so daß man eigentlich eine Ähnlichkeit der modernen Indonesier mit den modernen Neuguineern und Austra­liern erwartet hätte. In Wirklichkeit gibt es aber nur we­nige Populationen auf den Philippinen und im westli­chen Indonesien, die Ähnlichkeit mit den Bewohnern Neuguineas haben; hierzu zählen insbesondere die phil­ippinischen Negritos, die in abgelegenen Bergregionen leben. Bei ihnen könnte es sich – wie bei den drei ande­ren in Kapitel 15 erwähnten Populationen, die Ähnlich­keiten mit den Neuguineern aufweisen – um Überreste der Vorfahren von Wiwors Volk aus der Zeit vor der Be­siedlung Neuguineas handeln. Selbst diese Negritos spre­chen austronesische Sprachen, die denen ihrer philippi­nischen Nachbarn ähneln, was vermuten läßt, daß auch ihnen (wie den Semang in Malaysia und den Pygmäen in Afrika) ihre ursprüngliche Sprache abhanden kam.

    Abbildung 16.1 Die austronesische Sprachfamilie besteht aus vier Untergruppen, von denen drei auf Taiwan beschränkt sind und eine (die malaiopolynesische) ein sehr großes Verbreitungs­gebiet hat. Die malaiopolynesische Untergruppe besteht ihrer­seits aus zwei Unter-Untergruppen, den westlichen (W M–P) und den östlichen (Ö M–P) malaiopolynesischen Sprachen. Letztere werden in vier Unter-Unter-Untergruppen eingeteilt, die sehr weit verbreitete ozeanische im Osten und drei weitere im Westen mit einem wesentlich kleineren Verbreitungsgebiet, bestehend aus Halmahera, nahe gelegenen ostindonesischen Inseln und der Westseite von Neuguinea .
    Das alles spricht dafür, daß Indonesien und die Phi­lippinen in jüngerer Vergangenheit entweder von süd­ostasiatischen oder südchinesischen Sprechern austro­nesischer Sprachen besiedelt wurden. Dabei mußten die vorherigen Bewohner mit Ausnahme der philippinischen Negritos weichen – und ihre Sprachen mit ihnen. Dieses Geschehen liegt offenbar nicht weit genug in der Ver­gangenheit, daß die Neuankömmlinge genug Zeit gehabt hätten, um dunkelhäutig zu werden und eigene Sprach­familien oder gar charakteristische genetische Merkma­le zu entwickeln oder sich genetisch zu differenzieren. Zwar ist die Zahl ihrer Sprachen im Vergleich zu den acht vorherrschenden Sprachen des chinesischen Fest­lands gewaltig, sie unterscheiden sich jedoch wie diese nicht sehr stark voneinander. Daß auf den Philippinen und in Indonesien so zahlreiche ähnliche Sprachen ent­stehen konnten, zeugt lediglich davon, daß die Inseln im Gegensatz zu China nie eine politische und kulturelle Einigung erfuhren.
    Die Verbreitungsgebiete der verschiedenen Sprachen geben interessante Hinweise auf den geographischen Verlauf der vermuteten austronesischen Expansion. Ins­gesamt gehören zur austronesischen Sprachfamilie 959 Sprachen, die in vier Untergruppen eingeteilt werden. Eine davon, die malaiopolynesische, umfaßt bereits 945 der 959 Sprachen und erstreckt sich geographisch über fast das gesamte Verbreitungsgebiet der austronesischen Sprachfamilie. Bevor europäische Sprecher indogerma­nischer Sprachen vor wenigen Jahrhunderten nach

Weitere Kostenlose Bücher