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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Ver­ständnis der afrikanischen Geschichte beiträgt.
    Wenn wir zunächst Abbildung 18.2 mit Abbildung 18.1 vergleichen, so erkennen wir eine grobe Überein­stimmung zwischen Sprachfamilien und menschlicher Anatomie: Die Sprachen einer bestimmten Sprachfamilie werden in der Regel von Menschen gesprochen, die sich nach ihrem Aussehen einordnen lassen. So sind afro­asiatische Sprecher überwiegend Menschen, die wir als Weiße oder Schwarze klassifizieren würden, nilosahari­sche und Niger-Kongo-Sprecher sind Schwarze, Khoisan-Sprecher Khoisan und Austronesischsprecher Indonesier. Dies läßt vermuten, daß sich die Evolution der Sprachen parallel zur Evolution ihrer Sprecher vollzog.
    Im oberen Teil von Abbildung 18.2 verbirgt sich die erste Überraschung, ein schwerer Schlag für Eurozentri­ker, die fest an die Überlegenheit der sogenannten westli­chen Zivilisation glauben. Man hat uns beigebracht, daß die westliche Zivilisation im Nahen Osten entstand, in Europa durch Griechen und Römer zur Blüte gelangte und daß sie drei der großen Religionen der Menschheit hervorbrachte: Christentum, Judentum und Islam. Diese Religionen entstanden im Schoße von Völkern mit drei eng miteinander verwandten, sogenannten semitischen Sprachen: Aramäisch (die Sprache Jesu Christi und der Apostel), Hebräisch und Arabisch. Mit semitischen Völ­kern assoziieren wir automatisch den Nahen Osten.
    Greenberg fand jedoch heraus, daß die semitischen Sprachen in Wirklichkeit nur einen von sechs oder noch mehr Zweigen der sehr viel größeren Sprachfamilie der afroasiatischen Sprachen bilden, deren übrige Zweige (bestehend aus 222 überlebenden Sprachen) gänzlich auf Afrika beschränkt sind. Selbst die semitische Un­tergruppe ist in erster Linie afrikanisch – 12 von ihren 19 überlebenden Sprachen werden in Äthiopien gespro­chen. Dies läßt vermuten, daß die afroasiatischen Spra­chen ursprünglich aus Afrika stammen und daß nur ein Zweig in den Nahen Osten hinüberwuchs. Somit war möglicherweise Afrika die Geburtsstätte der Spra­chen, die von den Verfassern des Alten und des Neuen Testaments und des Korans, Stützpfeiler der westlichen Zivilisation, gesprochen wurden.
    Die nächste Überraschung in Abbildung 18.2 ist eine scheinbare Kleinigkeit, die ich unerwähnt ließ, als ich gerade ausführte, daß zwischen Völkern mit physischen Unterschieden meist auch ausgeprägte sprachliche Un­terschiede bestehen. Von den fünf in Afrika vertretenen Gruppen – Schwarze, Weiße, Pygmäen, Khoisan und In­donesier – besitzen nur die Pygmäen keine eigenen Spra­chen: Jeder Pygmäenverband spricht die gleiche Spra­che wie die benachbarten schwarzen Bauern. Vergleicht man jedoch, wie eine bestimmte Sprache von Pygmäen und Schwarzen gesprochen wird, so stellt man fest, daß die Pygmäen-Version einige eigene Wörter und lautli­che Besonderheiten aufweist.

    Abbildung 18.2 Sprachfamilien Afrikas
    Gewiß waren Menschen von so unverwechselbarer Gestalt wie die Pygmäen, die noch dazu in einer so charakteristischen Umwelt lebten wie dem äquatorialafrika­nischen Regenwald, ursprünglich isoliert genug, um eine eigene Sprachfamilie zu entwickeln. Inzwischen sind die­se Sprachen aber verschwunden, und wie wir Abbildung 18.1 entnehmen konnten, ist das heutige Verbreitungs­gebiet der Pygmäen äußerst fragmentiert. Geographi­sche und linguistische Indizien leiten uns somit zu der Annahme, daß die Heimat der Pygmäen von schwarzen Bauern »überflutet« wurde, deren Sprachen die verblie­benen Pygmäen übernahmen, wobei nur Spuren ihrer eigenen Sprachen in Form einzelner Wörter und Laute erhalten blieben. Wie an anderer Stelle geschildert, gilt Ähnliches für die malaysischen Negritos (Semang) so­wie für die philippinischen Negritos, die austroasiatische beziehungsweise austronesische Sprachen von den Bau­ern, die in ihr Land eindrangen, übernahmen.
    Ähnlich deutet die bruchstückhafte Verbreitung ni­losaharischer Sprachen in Abbildung 18.2 darauf hin, daß viele Sprecher dieser Sprachen von Sprechern von Niger-Kongo- oder afroasiatischen Sprachen überrollt wurden. Von noch dramatischeren Vorgängen zeugt die Verbreitung der Khoisan-Sprachen. Diese Sprachen sind berühmt und einzigartig wegen ihrer geschnalzten Kon­sonanten. (Falls Sie sich schon einmal über einen Namen wie !Kung Bushman gewundert haben: Das Ausrufezei­chen steht nicht für voreiliges Erstaunen, sondern dient Linguisten zur Darstellung von

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