Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
Vom Netzwerk:
Schnalzlauten.) Alle heu­tigen Khoisan-Sprachen sind auf das südliche Afrika be­schränkt, mit zwei Ausnahmen, bei denen es sich um sehr typische, mit Schnalzlauten gespickte Khoisan-Sprachen mit der Bezeichnung Hadza und Sandawe handelt. Beide werden in Tansania gesprochen, fast 2000 Meilen vom nächstgelegenen Verbreitungsgebiet einer Khoisan-Spra­che im Süden Afrikas entfernt.
    Auch Xhosa und einige andere Niger-Kongo-Spra­chen des südlichen Afrika sind voller Schnalzlaute. Noch unerwarteter begegnen uns Schnalzlaute und Khoisan-Wörter in zwei afroasiatischen Sprachen, die von Schwar­zen in Kenia gesprochen werden, also noch weiter vom heutigen Lebensraum der Khoisan-Völker entfernt als Hadza und Sandawe in Tansania. Dies alles deutet darauf hin, daß sich das Verbreitungsgebiet der Khoisan-Sprachen und -Völker vom südlichen Afrika einst viel weiter nach Norden erstreckte als heute, bis es, ähnlich wie die Heimat der Pygmäen, von schwarzen Völkern »überflutet« wurde, so daß nur sprachliche Relikte übrig­blieben. Diese Erkenntnis, abgeleitet aus linguistischen Indizien, ist von großer Bedeutung, und man hätte sie wohl kaum durch anatomische Untersuchungen an heu­tigen Völkern gewinnen können.
    Den bemerkenswertesten Beitrag der Linguistik habe ich jedoch noch gar nicht erwähnt. Abbildung 18.2 ist zu entnehmen, daß die Niger-Kongo-Sprachfamilie in ganz Westafrika und im größten Teil Afrikas südlich des Äquators verbreitet ist, so daß auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist, wo sie innerhalb dieses riesigen Gebiets ursprünglich beheimatet war. Greenberg erkann­te jedoch, daß sämtliche Niger-Kongo-Sprachen Afri­kas südlich des Äquators zu einer einzigen Untergrup­pe namens Bantu gehören. Sie umfaßt nahezu die Hälf­te der 1032 Niger-Kongo-Sprachen und über die Hälfte der Niger-Kongo-Sprecher (an die 200 Millionen Men­schen). Diese 500 Bantu-Sprachen ähneln einander je­doch so stark, daß man sie auch schon als 500 Dialekte einer einzigen Sprache beschrieben hat.
    Zusammen bilden die Bantu-Sprachen nur einen untergeordneten Zweig der Niger-Kongo-Sprachfami­lie. Die meisten der 176 anderen Untergruppen drän­gen sich in Westafrika, also auf einem Bruchteil des ge­samten Verbreitungsgebiets der Niger-Kongo-Sprachen. Die typisch sten Bantu-Sprachen und jene anderen Ni­ger-Kongo-Sprachen, die mit den Bantu-Sprachen am engsten verwandt sind, konzentrieren sich auffällig in einem winzigen Gebiet in Kamerun und im angren­zenden Osten Nigerias. Offensichtlich entstand die Ni­ger-Kongo-Sprachfamilie in Westafrika und der Bantu-Zweig am östlichen Rand dieses Raumes, in Kamerun und Nigeria; von dort aus eroberten die Bantu-Sprachen den größten Teil Afrikas südlich des Äquators. Diese Expansion muß so weit zurückliegen, daß das Ur-Ban­tu genügend Zeit hatte, um 500 Ableger zu bilden; sie kann andererseits noch nicht allzu lange her sein, da sich die aus dem Ur-Bantu hervorgegangenen Sprachen immer noch recht stark ähneln. Da alle anderen Niger-Kongo-Sprecher schwarz sind wie die Bantu selbst, hät­ten wir aus Erkenntnissen der physischen Anthropolo­gie allein nicht darauf schließen können, wer in welche Richtung wanderte.
    Ich will diese Art der linguistischen Argumentation einmal am Beispiel des geographischen Ursprungs der englischen Sprache verdeutlichen. Heute leben mit Ab­stand die meisten Menschen, deren Muttersprache Eng­lisch ist, in Nordamerika; andere finden wir über den Globus verstreut in Großbritannien, Australien und an­deren Ländern. In jedem dieser Länder werden eigene Dialekte des Englischen gesprochen. Besäßen wir keine weiteren Kenntnisse über die Geschichte und die Ver­breitungsgebiete von Sprachen, so hätten wir vielleicht darauf getippt, daß Englisch einst in Nordamerika ent­stand und später von Kolonisten nach Großbritannien und Australien gebracht wurde.
    Nun ist es aber so, daß die vielen englischen Dialekte nur einen einzigen Zweig der germanischen Sprachfami­lie bilden. Alle anderen Untergruppen – die skandinavi­schen Sprachen, Deutsch und Niederländisch – drängen sich auf engem Raum im Nordwesten Europas. Insbe­sondere Friesisch, die mit dem Englischen am engsten verwandte germanische Sprache, wird nur in einem klei­nen Küstengebiet Hollands und Norddeutschlands ge­sprochen. Aus diesem Sachverhalt würde ein Linguist sofort den Schluß ziehen, daß die englische Sprache im Nordwesten Europas entstand

Weitere Kostenlose Bücher