Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
Ich schreibe es meinem eigenen Versagen zu.
– Aber das stimmt nicht. Ich bin inzwischen ein großes Mädchen. Ich weiß ganz genau, worauf ich mich mit Joshua eingelassen habe. Also schön, schieß los. Was hast du für Neuigkeiten?
– Haile möchte wissen, wann du zum Schwimmen zu ihr kommst.
Iones Gedanken hellten sich auf. – Sag ihr, ich bin in einer Stunde da.
– Sehr gut. Zweitens bittet Parker Higgens darum, daß du ihn heute noch besuchst. So bald wie möglich. Es klang sehr dringend.
– Wieso?
– Ich glaube, der Gruppe, die mit der Analyse von Joshua Calverts Laymil-Elektronik betraut ist, ist ein Durchbruch gelungen.
Die Fischerboote von Pernik Island waren auf halbem Weg zum Horizont, als Syrinx am Fuß des Turms ins Freie trat. Es war der Tag, an dem sie die Wale besuchen wollte. Die kühle Sonne der Morgendämmerung hatte den dichtem Mantel aus Moos, der die Insel überzog, in ein mattes Schwarz getaucht. Syrinx atmete die salzige Luft in tiefen Zügen und genoß ihre reine Klarheit.
– Ich habe unsere Luft wirklich nie als etwas Außergewöhnliches betrachtet, sagte Mosul. Er ging neben Syrinx her und trug eine große Kiste mit Vorräten für die geplante Reise.
– Das ist sie auch nicht mehr, sobald die Feuchtigkeit zunimmt. Aber vergiß nicht, daß ich mehr als neunzig Prozent meines Lebens in einer perfekt regulierten Umwelt verbracht habe. Das hier ist eine erfrischende Abwechslung.
– Oho, danke sehr! warf die Oenone beleidigt ein.
Syrinx grinste.
– Wir haben Glück, sagte Mosul. – Ich habe mich mit den Delphinen in Verbindung gesetzt. Die Wale sind heute sogar noch näher als gestern. Wir sollten bis zum späten Nachmittag dort sein.
– Großartig!
Mosul führte sie über die breite Straße hinunter zum Rand der Insel, wo die Kais lagen. Wasser plätscherte träge gegen den Polyp. Wären nicht die schwankenden Bewegungen gewesen, hätte Pernik ohne weiteres eine echte Insel sein können, die fest verankert auf der Kruste des Planeten ruhte.
– Manchmal kommt ein richtiger Sturm auf, der unsere Insel um ein ganzes Grad versetzt.
– Ah, stimmt. Ihr Grinsen verblaßte. – Es tut mir leid. Mir war nicht bewußt, daß ich so viel über mein Band abstrahle. Das ist sehr peinlich. Bitte entschuldige. Ich denke, ich war in Gedanken woanders.
– Kein Problem. Möchtest du vielleicht, daß Ruben mit uns kommt? Vielleicht wäre dir dann wohler?
Syrinx dachte an Ruben, der zusammengerollt im Bett lag, wo sie ihn eine halbe Stunde zuvor verlassen hatte. Er antwortete nicht auf ihre halbherzig vorgebrachte Bitte. Ruben schlief tief und fest. – Nein. Ich bin nie wirklich allein. Ich habe die Oenone.
Syrinx beobachtete, wie sich auf Mosuls hübschem, sonnengebräuntem Gesicht Falten bildeten. – Wie alt ist Ruben eigentlich? fragte er halb um Verzeihung bittend.
Sie sagte es ihm und mußte ein lautes Auflachen unterdrücken, als die Überraschung und Mißbilligung aus seinem Verstand strömten, trotz all seiner hektischen Versuche, sie zu unterdrücken. Es haut sie jedesmal aufs neue um.
- Du solltest die Leute nicht so vor den Kopf stoßen, sagte die Oenone. – Er ist ein netter junger Mann. Ich mag ihn.
– Das sagst du immer.
– Ich sage nur das, was du fühlst.
Der Kai ruhte auf großen, schwimmenden Trommeln, die in langsamen Bewegungen auf den Wellen ritten. Dicke purpurrote Röhren verliefen am Rand entlang und brachten Nahrungsflüssigkeit zu den Booten hinaus. Durch undichte Kupplungen leckte ein Teil der dunklen, sirupösen Flüssigkeit in das Wasser.
Syrinx trat zur Seite, als ein paar mit Kisten beladene Servitoren vorbeitrotteten. Sie unterschieden sich stark von den gewöhnlichen Hausschimps in den Habitaten; diese hier besaßen eine geschuppte Reptilienhaut von schwach blau-grüner Farbe und lange, breite Füße mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen.
Das Boot, das sie schließlich bestiegen, war die Spiros, ein siebzehn Meter langer Segler mit weißem Kompositrumpf. BiTek-Konstrukte waren mit einem Geschick in die Struktur eingelassen, das weit über normale mechanische Praktikabilität hinaus reichte, fast wie von Künstlerhand. Die Verdauungsorgane und die Blasen mit den Nahrungsreserven befanden sich unten in der Bilge. Sie versorgten den nicht-intelligenten BiTek-Prozessor und die Segelmembran sowie zahlreiche Reservesysteme. Die Kabineneinrichtung bestand ganz aus Holz, aus Stämmen, die im Park im Zentrum der Insel gewachsen waren. Die
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