Armageddon 04 - Der Neutronium-Alchimist
bringen, was sie dachten. Doch jetzt ging ihm die Zeit aus. Er blickte sich nach den Sergeants um und hoffte, daß Ione nicht sauer wurde, weil er sich zurückzog. Verdammt, wir haben getan, was in unseren Kräften stand.
Der Conférencier trat auf die Bühne hinaus und bat die Zuschauer mit erhobenen Armen um Aufmerksamkeit. Die Menge geriet vollends aus dem Häuschen und pfiff und johlte. Der Conférencier brachte seine einstudierte Ansage.
»Das ist Shea«, stellte Kole eine weitere junge Frau vor.
Joshua bemühte sich, freundlich zu lächeln; Shea war groß und dürr und besaß fast die gleiche Statur wie Voi. Er befahl seinem Prozessorblock, sie zu überprüfen, doch sie war sauber. Was er sah war echt, kein Chamäleonanzug und keine Besessene. Und es war nicht Voi.
»Ich möchte dir Joshua Calvert vorstellen«, sagte Kole mit erhobener Stimme, um das ansteigende Pfeifen der gigantischen AV-Projektoren zu übertönen. »Mein Raumschiffskommandant.«
Sheas offensichtliche Melancholie wich offener Betrübnis. Sie fing an zu weinen.
Kole blickte sie erstaunt an. »Was ist denn los?«
Shea schüttelte den Kopf und preßte die Lippen aufeinander.
»Es tut mir leid«, sagte Joshua voller aufrichtigem Mitgefühl. »Habe ich etwas falsch gemacht?«
Shea lächelte tapfer. »Es hat nichts mit dir zu tun. Es ist nur … mein Freund ist heute nachmittag abgeflogen. Er kommandiert ein Raumschiff, genau wie du, und das hat Erinnerungen geweckt. Ich weiß nicht, wann ich ihn wiedersehen werde. Er wollte nichts sagen.«
In Joshuas Schädel schrillten sämtliche Alarmsirenen los. Die alte Calvertsche Intuition. Auf der Bühne marschierte die erste Mood-Phantasy-Band auf. Er legte tröstend den Arm um Shea und ignorierte Koles aufsteigende Eifersucht. »Komm mit, ich geb’ einen aus. Du kannst mir von deinem Freund erzählen, wenn du magst. Man weiß ja nie, vielleicht kann ich dir helfen. Draußen im Raum ereignen sich die seltsamsten Zufälle.«
Er winkte den beiden Sergeants aufgeregt und wandte sich just in dem Augenblick von der Bühne ab, in dem die AV-Projektoren zum Leben erwachten. Ein dichter Nebel aus kohärentem Licht erfüllte den Terminal Terminus Club. Obwohl Joshua wegsah, sickerten die synthetischen Empfindungen in seine Nervenbahnen; zerstückelte Signale, die mit groben aktivierenden Sequenzen durchsetzt waren. Er fühlte sich gut. Er war heiß. Er war geil. Ihm war nach Sex.
Ein Blick zurück über die Schulter, und er sah sich rittlings in einem Sattel auf einem gigantischen Penis sitzen.
Also wirklich, diese Jugend heutzutage. Als Joshua jünger gewesen war, war es in den MF-Shows noch um die Glücksgefühle gegangen, wenn man sich verliebte, wie es sich anfühlte, wenn die Angebetete die Gefühle erwiderte oder wenn man ohne ersichtlichen Grund abgewiesen wurde. Werben und gewinnen. Die unendliche Vielfalt von Gefühlen im Herzen, nicht im Schwanz.
Die Jugendlichen ringsum lachten und kicherten. In ihren Gesichtern stand ungläubiges Staunen und Freude, während die AV-Projektion in ihre Pupillen drang. Sie schwankten unisono von einer Seite zur anderen.
»Joshua, vier Edeniten kommen in unsere Richtung«, warnte einer der Sergeants.
Joshua bemerkte sie in der funkelnden Lichterwolke, die das Publikum durchdrang. Größer als jeder andere, mit einer Art Visor über den Augen. Sie schoben sich zielgerichtet durch die schwankende Menge in seine Richtung.
Er packte Sheas Hand fester. »Hier entlang«, zischte er drängend und steuerte auf das falsche Wurmloch im Zentrum des Clubs zu. Einer der Sergeants schob das Publikum beiseite und brach ihnen Bahn. Böse Blick und bissige Bemerkungen folgten ihnen.
»Dahybi!« rief Joshua per Datavis. »Hol die restlichen Sergeants aus dem Null-Tau! Sichere uns eine Route von der Axialkammer durch den Raumhafen zur Lady Macbeth. Möglicherweise brauchen wir euch.«
»Schon erledigt, Boß. Das Kommunikationsnetz des Asteroiden bricht nach und nach zusammen.«
»Mist! In Ordnung, wir haben immer noch die Affinität unserer Sergeants, falls anders nichts mehr läuft. Besser, du behältst einen bei dir auf der Brücke.«
Joshua erreichte die wogende schwarze Säule des Wurmlochs und blickte zurück. Shea war außer Atem und offensichtlich verwirrt, aber sie wehrte sich nicht. Die Edeniten kamen nicht hinter ihnen her. »Was …?« Unruhe entstand dort, wo Joshua Koles Freunde zurückgelassen hatte. Zwei der großen Edeniten hatten einen leblosen Körper
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