Armageddon 05 - Die Besessenen
sind.«
»General Hiltch, was sagen Sie?«
»Ich würde den Vormarsch nur ungern verzögern, Ma’am. Mit allem Respekt, Admiral Farquar, aber ich glaube nicht, daß orbitaler Beschuß die Besessenen daran hindern kann, sich zusammenzuraufen. Ihre Bewegungen verlangsamen vielleicht, aber sie festnageln? Ganz bestimmt nicht. Und wenn wir erst damit anfangen, stecken wir noch tiefer in der Tinte. Die Feuerkraft, die wir schon jetzt benötigen, um allein Ketton aufzubrechen, geht über alles hinaus, was unsere Bodentruppen besitzen. Wir müssen unter allen Umständen verhindern, daß die Besessenen im großen Maßstab anfangen zu flüchten. Gegenwärtig bestimmen wir noch die Geschwindigkeit der Ereignisse. Ich hasse den Gedanken, daß sich die Situation umkehren könnte. Es ist unser einziger und größter Vorteil.«
»Ich verstehe. Also schön, Sie werden noch vor Einbruch der lokalen Dämmerung erfahren, wie ich mich entschieden habe.«
Die Sens-O-Vis-Umgebung erlosch mit der üblichen Plötzlichkeit, und Kirsten blinzelte irritiert, bis ihre Augen die vertraute Umgebung ihres Büros registrierten. Ein Stück Normalität das sie jetzt mehr als bitter nötig hatte. Diese nächtlichen Lagebesprechungen wurden zunehmend ermüdender. Nicht einmal die Sitzungen ihres geheimen Sicherheitsrates im Apollo-Palast hatten eine derart niederschmetternde Wirkung. Dort ging es um Politik, die erst in Jahrzehnten durchgesetzt werden würde. Die Befreiungsaktion war viel zu unmittelbar, etwas, an das die Saldanas nicht gewöhnt waren. In jeder modernen Krise ging es hauptsächlich darum zu entscheiden, ob eine Flotte entsandt werden sollte oder nicht. Anschließend lag alles weitere in den Händen des kommandierenden Admirals.
Ich fälle politische Entscheidungen, keine militärischen.
Doch die Befreiung von Mortonridge hatte all das verändert und die Unterschiede bis zur Unkenntlichkeit verschwimmen lassen. Militärische Entscheidungen waren politische geworden.
Kirsten stand auf und streckte sich. Dann ging sie um ihren Schreibtisch herum und zu Alastairs Büste. Ihre Hand strich über die vertrauten, ernsten Gesichtszüge. »Was würdest du an meiner Stelle tun?« murmelte sie. Nicht, daß er ihr jemals den Vorwurf machen würde, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben. Was auch immer sie tat, die Familie würde sie unterstützen. Ihr Kammerherr Sylvester Geray sprang hastig auf die Beine, als sie das Vorzimmer betrat, und die Stuhlbeine scharrten laut über den Boden aus exotischem Hartholz.
»Müde?« fragte sie leichthin.
»Nein, Ma’am.«
»Doch, Sie sind müde. Ich werde mich für ein paar Stunden in meine Gemächer zurückziehen. Ich werde sie vor sieben Uhr morgen früh nicht mehr benötigen. Nehmen Sie eine Mütze voll Schlaf, oder ruhen Sie sich zumindest aus.«
»Danke sehr, Ma’am.« Er verneigte sich tief, als sie hinausging.
In ihren privaten Gemächern war um diese Zeit nur wenig Personal tätig. Kirsten gefiel es am besten so. Wenn alle Räume dunkel und still lagen, konnte sie sich beinahe vorstellen, in einem ganz gewöhnlichen Heim zu leben. Eine der Kinderfrauen und eine Magd hatten Dienst. Sie saßen in der Lounge neben den Kinderzimmern und unterhielten sich leise. Kirsten blieb einen Augenblick stehen und lauschte ihrem Gespräch. Der Verlobte des Kindermädchens diente in der Königlichen Navy und hatte sich seit zwei Tagen nicht mehr bei ihr gemeldet. Die Magd fühlte mit ihr.
Jeder von uns, dachte Kirsten. Jeder von uns ist irgendwie in diese Geschichte verwickelt. Und die Befreiung ist erst der Anfang. Bis jetzt waren die Bemühungen der Kirche, den Menschen die Furcht vor dem Jenseits zu nehmen, spürbar erfolglos verlaufen. Obwohl der Bischof von Atherstone berichtet hatte, daß die Gottesdienste in jeder Kirche auf dem gesamten Planeten gut besucht wurden – besser als in früheren Zeiten an Weihnachten, wie er beinahe indigniert hinzugefügt hatte.
Kirsten öffnete die Tür zu Edwards Arbeitszimmer, ohne vorher anzuklopfen – und bemerkte ihren Fehler erst, als sie bereits ein paar Schritte weit gekommen war. Er hatte ein Mädchen bei sich auf der Ledercouch: seine gegenwärtige Mätresse. Kirsten erinnerte sich an die Datei, die Jannike Dermot ihr hatte zukommen lassen. Niederer Adel; ihr Vater besaß ein Landgut und irgendeine Transportfirma. Ein ziemlich junges Ding, gerade Anfang zwanzig, mit klassisch feinem Körperbau. Großgewachsen mit sehr langen Beinen, wie es bei
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