Armageddon 05 - Die Besessenen
Strahlen strichen durch die unteren acht Stockwerke des Leicester-Wolkenkratzers, in denen sich das Hauptquartier der Sekte befand. Sie folgten einem vorher ausgearbeiteten Schema und wechselten zwischen horizontalen und vertikalen Bahnen, um nicht einen Kubikmeter Raum auszulassen. Wo die Strahlen direkt auf die tragenden Wände der Konstruktion trafen, wurden sie absorbiert, während Mobiliar und Kompositwände unter dem massiven Strahlenbombardement augenblicklich in Flammen aufgingen. Dicke orangefarbene Linien zogen sich über die Stützpfeiler und Böden, als die Strahlen das Gebäude durchzuckten. Die Luft wurde superheiß, und ihre Moleküle ionisierten. Fenster explodierten von dem gigantischen Druck und überschütteten die Straße darunter mit einem Schauer aus messerscharfen Glassplittern.
Feuersprinkler schalteten sich ein, doch das Wasser verdampfte in Sekundenbruchteilen, bevor die Moleküle ebenfalls zu Ionenwolken zerfielen. Grellblaue und violette Schwaden schossen aus den zerschmetterten Fenstern und durch die Aufzugsschächte des Wolkenkratzers. Belüftungsschächte dienten als Kanäle für den Hitzesturm, der durch das Gebäude toste. Die unteren Stockwerke wurden von einem strahlenden Feuerball eingehüllt.
Menschliche Körper, die in dem dreidimensionalen Gewirr aus Strahlen gefangen wurden, platzten unter der gigantischen Energiezufuhr förmlich auseinander. Körperflüssigkeiten verwandelten sich in Dampf, Kohlenstoffverbindungen wurden zersetzt. Wo die Strahlen die äußeren Sektionen des Wolkenkratzers erreichten, behielten sie genügend Energie, um die Wände glatt zu durchschlagen. Umgebende Gebäude wurden erfaßt und beschädigt, noch bevor die Ionenwolken aus dem Leicester über die Außenwände strichen und Dutzende ganz gewöhnlicher Feuersbrünste erzeugten.
Dann schalteten die Gammalaser ab. Die Nacht war erfüllt vom Brüllen und Tosen der Flammen und den Schreien derjenigen, die bei lebendigem Leib verbrannten. Die Feuer erzeugten genügend Licht, um das gesamte Viertel zu erhellen. Unverletzte Bewohner benachbarter Wolkenkratzer, die das Glück hatten, auf den unteren Etagen zu wohnen, stürzten auf die Straßen hinaus. Wer weiter oben wohnte, konnte nur entsetzt und hilflos zusehen, wie die Flammen sich festfraßen. Die Bilder, die sie an die Nachrichtenagenturen übermittelten, wurden in Echtzeit in die ganze Welt übertragen. Sie zeigten die taktischen Teams des GISD, die von allen Seiten auf den Leicester zumarschierten. Ihre schwarzen hitzesicheren Anzüge aus Flexarmor erschienen als mattschwarze Silhouetten, und sie hielten langläufige Waffen im Anschlag, während sie mit bemerkenswerter Nonchalance in das Chaos marschierten.
Dreimal stürzten Gestalten aus dem Haupteingang des Leicester, auf der Flucht vor den Flammen. Sie sahen aus wie Feuermonster, Flammen schossen aus jedem Teil ihrer aufgeblähten Gestalten. Die Waffen der taktischen Teams spuckten mit lautloser Effizienz kurze Pulse türkisfarbenen Feuers, und die flüchtenden Menschen brachen zusammen und verbrannten auf dem breiten Gehweg, ohne sich noch einmal zu regen.
Es war dieser Anblick mechanischer Vernichtung, der die Welt schließlich überzeugte, daß die Besessenen es irgendwie geschafft hatten, die titanischen Verteidigungsanlagen des O’Neill-Halo zu überwinden. Der politische Schaden war beträchtlich. Im Großen Senat von GovCentral wurde ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten eingeleitet, weil er versäumt hatte, den Verteidigungsausschuß rechtzeitig zu informieren. Der Präsident, der kaum öffentlich zugeben konnte, nichts von der Situation gewußt zu haben, feuerte die Leiter der GISD-Büros Eins bis Vier, wegen Insubordination und Kompetenzüberschreitung. Der New Yorker Leiter des GISD wurde wegen kaltblütigen Totschlags verhaftet und in Untersuchungshaft gebracht. All das geschah unter den Augen der Öffentlichkeit, die davon kaum Notiz nahm. Das einzige, was sie interessierte, waren die ständigen Berichte der Nachrichtenagenturen über die Auswirkungen und Folgen des Angriffs und das Vorgehen der taktischen Teams.
Nachdem sich die Agenten des GISD überzeugt hatten, daß in keinem der Schlupfwinkel der Sekte noch Besessene lebten, zogen sie sich von ihren Einsatzorten zurück. Erst dann durften die zivilen Schutzmannschaften einrücken. Die Mechanoiden der Feuerwehr benötigten zehn Stunden, bis die letzten Brände gelöscht waren. Sanitäter folgten ihnen durch die
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