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Armageddon 05 - Die Besessenen

Armageddon 05 - Die Besessenen

Titel: Armageddon 05 - Die Besessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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Körper und ließ seine Gliedmaßen unkontrolliert zittern. Banneth setzte sich auf einen der Hocker und nippte an einem handgemischten Martini on the Rocks, während sie den Prozeß steuerte und dem Extraktionspack gelegentlich per Datavis neue Anweisungen erteilte. Knapp zwei Stunden später flossen die ersten erratischen Impulse durch die eingedrungenen Fasern in die Speicher. Banneth brachte ihre KI online und beauftragte sie mit der Analyse und Interpretation der wirren Sintflut von Gedankenimpulsen. Visualisierungen, die nichts mehr waren als zufällige Explosionen von Farben, beruhigten sich nach und nach, als die KI begann, Kilians synaptische Entladungen in geordnete Muster zu lenken. Nachdem seine Gedankenmuster katalogisiert und mit seiner neuralen Struktur korreliert waren, wurde sein gesamtes Bewußtsein kontrollierbar. Die Extraktionsfasern konnten einfach neue Impulse in die von ihnen penetrierten Synapsen injizieren und jeden natürlichen Gedanken überlagern, den Kilian entwickelte.
    Kilian dachte an seine Familie – oder besser gesagt das, was er von ihr gekannt hatte. Mutter und zwei jüngere Halbgeschwister in zwei winzigen Zimmern. Sie hatten in einem Wolkenkratzer in der Unterstadt der Edson-Kuppel gelebt. Es war viele Jahre her. Mutter hatte von einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gelebt, speziell für Eltern, und war tagsüber nie dagewesen. Alles, woran Kilian sich erinnerte, waren der ununterbrochene Lärm, die lauten Streitereien, Kämpfe, Musik, Schritte, Metroverkehr. Damals hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht als zu entfliehen. Eine dumme Entscheidung.
    »Warum?« fragte Banneth.
    Kilian zuckte zusammen. Er lag zu Hause auf dem Schlafsofa unter dem Fenster und blickte liebevoll auf die vertrauten alten Dinge, die seine kurze Kindheit ausgefüllt hatten.
    Jetzt stand Banneth unter der Tür und starrte verächtlich auf ihn herab. Sie war heller als alles andere im Zimmer und viel farbiger.
    »Warum?« wiederholte sie ihre Frage.
    Ein sphärischer Druck entstand rings um Kilians Schädel und quetschte die Worte in einem unaufhaltsamen Strom aus seinem Mund. »Weil ich von zu Hause weggegangen bin, um dieser Sekte beizutreten. Und ich wünschte, ich hätte es nicht getan. Ich hasse mein Leben. Ich hasse es, verdammt. Und jetzt liege ich auf diesem Tisch und muß mich in einen Hund verwandeln lassen oder zusehen, wie mir der Schwanz abgeschnitten und jemand anderem angenäht wird, damit er mich damit fickt. All dieser elende Dreck. Es ist nicht fair. Es ist einfach nicht fair. Ich habe nichts Falsches getan. Ich habe immer getan, was die Sekte von mir verlangt hat. Sie können das nicht mit mir machen! Bitte, Sie können das nicht tun! Mein Gott, das ist unmenschlich. Sie sind unmenschlich, jeder weiß das. Sie sind eine verdammte irre Kannibalin.«
    »Soll das vielleicht Dankbarkeit sein? Aber wer gibt schon einen Dreck um dein erbärmliches Gejammer über fehlenden Komfort. Ich will wissen, wo du den Besessenen gesehen hast.«
    Der Druck fand eine andere Stelle in Kilians Schädel und quetschte dort. Kilian schrie auf, als die Erinnerungen wie Springbrunnen aus Säure hinter seinen Augen emporschäumten. Seine Kindheit erlosch einfach, riesige Sektionen fielen ab wie faulendes Fleisch und machten dem Tempel von Vegreville Platz. Kilian war vor drei Tagen dort gewesen; sein Senior-Akolyth hatte ihn hingeschickt, um ein Paket abzuholen. Er wußte nichts über den Inhalt, nur, daß ›Banneth es schnell haben‹ wollte.
    Das Nest hatte sich verändert. Eine neue, fremdartige Atmosphäre hing in den dunklen Räumen: die Nacht vor dem entscheidenden Spiel. Sie hatten ihn beinahe belustigt angesehen, sein Drängen, den Auftrag zu erfüllen, das Paket in Empfang zu nehmen und auf dem schnellsten Weg zurückzukehren, hatte sie zum Kichern gebracht und ihm ihren Spott zugezogen. Jedesmal, wenn er sie gebeten hatte, sich ein wenig zu beeilen, hatten sie sich einen Spaß daraus gemacht, ihn noch länger hinzuhalten. Sie waren wie ausgelassene Kinder in einem Tagesclub, die einen neu hinzugekommenen Jungen gefunden hatten, den sie verspotten und schikanieren konnten.
    Schließlich hatten sie ihn zum Tempel geführt, wo das Paket nach den Worten des Senior-Akolythen auf ihn wartete. Die Wände der Halle bestanden aus Tausenden dünner metallener Versteifungsstreben, die miteinander verschweißt worden waren – ein Vogelnest aus eisernen Stäben. Der Altar war ein dichtgepackter Hügel aus

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