Armageddon 07 - Zweite Chance auf Eden
vielleicht mit der Implantation fortfahren?«
»Oh, das.«
Der Stuhl rotierte wieder in die Senkrechte zurück. Corrine schaltete ihre Apparaturen aus.
»Ich bin schon seit ein paar Minuten fertig«, sagte sie unter selbstzufriedenem Kichern. »Ich habe nur darauf gewartet, dass Sie aufhören zu plaudern.«
»Sie …«
Die grinsende OP-Schwester machte sich daran, mich loszuschnallen.
Corrine zog ihre Latexhandschuhe aus. »Ich möchte, dass Sie nach Hause gehen und sich für den Rest des Tages ein wenig Ruhe gönnen. Keine Arbeit mehr. Ich will nicht, dass Sie in Stress geraten; die Neuronen des Symbionten können in diesem frühen Stadium noch keine Toxine gebrauchen. Und keinen Alkohol.«
»Werde ich Kopfschmerzen bekommen?«
»Ein Hypochonder wie Sie … würde mich nicht im Geringsten überraschen.« Sie zwinkerte freundlich. »Es liegt ganz allein an Ihnen.«
Ich ging nach Hause. Die erste Gelegenheit, die sich mir bot, um die wirklichen Vorzüge des Habitats zu genießen. Ich spazierte unter einem offenen Himmel, spürte eine laue Brise, die an meiner Uniform zupfte, roch eine Vielzahl der verschiedensten Blumendüfte. Eine merkwürdige Erfahrung. Ich bin gerade alt genug, um mich an eine Kindheit unter freiem Himmel zu erinnern, an Rucksacktouren über das, was vom offenen Land noch übrig war, und an Campingausflüge. Das war, bevor die Armadastürme angefangen hatten, die Kontinente manchmal wochenlang an einem Stück zu bombardieren. Heutzutage ist das Klima auf der Erde in einem Stadium, für das die Wissenschaftler den Ausdruck ›Übergangsphase zum endlosen Chaos‹ geprägt haben. Man muss schon unzurechnungsfähig sein, wenn man heute noch auf eigene Faust in die Wildnis spaziert. Selbst ›laue Lüftchen‹ erreichen inzwischen Geschwindigkeiten von sechzig, siebzig Kilometern pro Stunde.
Die Hitze ist daran schuld. Die Abwärme vom ›Segen‹ einer industriellen Wirtschaft, die achtzehn Milliarden Menschen ernährt und ihre Bedürfnisse befriedigt. Umweltschützer haben uns immer wieder vor den Gefahren der Verbrennung von Kohlenwasserstoffen gewarnt, mit der Begründung, dass das entstehende Kohlendioxid einen Treibhauseffekt auslösen würde. Darin zumindest haben sie sich geirrt, und zwar gründlich. Bereits früh im neuen Jahrhundert kam die Fusionsenergie auf; zuerst mit Deuterium-Tritium-Fusion, ineffizient und mit einer deprimierenden Menge an radioaktivem Abfall für eine Technologie, die eigentlich die ultimative, ewig anhaltende saubere Energiequelle darstellen sollte. Dann traf das erste Helium-III vom Jupiter ein, und selbst diese Probleme verschwanden. Kein Kohlendioxid mehr durch die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen.
Stattdessen fingen die Menschen an, Erwartungen zu entwickeln. Eine Menge Erwartungen. Unbeschränkte billige Energie war nicht länger ein Vorrecht der westlichen Nationen, sondern gehörte nun jedermann. Und jedermann benutzte sie. In Heimen, Fabriken, um mehr Fabriken zu bauen, die noch mehr Produkte herstellten, die noch mehr Energie verbrauchten. Überall auf dem Planeten wurde die Abluft von Klimaanlagen in die Atmosphäre gejagt, in einem Ausmaß, das rasch beängstigend wurde.
Nach einem Jahrzehnt stetig schlimmer werdender Hurrikans wurde die pazifische Ostküste im Februar 2071 vom ersten wirklichen Megasturm heimgesucht. Er dauerte neun Tage. Die Vereinten Nationen erklärten die Länder hinterher offiziell zum Katastrophengebiet. Im gesamten Gebiet war die Ernte ruiniert, ganze Wälder waren entwurzelt, Zehntausende heimatlos geworden. Irgendein Idiot von Nachrichtensprecher meinte schließlich, wenn ein flügelschlagender Schmetterling am anderen Ende der Welt einen Hurrikan erzeugen könne, dann müsse dieser Sturm von einer ganzen Armada hervorgerufen worden sein. Der Name blieb haften.
Der zweite Armadasturm kam zehn Monate später, und diesmal traf er Südeuropa. Und er war so heftig, dass der erste dagegen wie ein Sommergewitter aussah.
Jeder wusste, dass es an der Hitze lag. So gut wie jeder Haushalt besaß inzwischen einen Anschluss an das Fernsehnetz; jeder konnte sich das leisten. Um den dritten Armadasturm zu verhindern, hätten die Menschen nichts weiter tun müssen, als auf die hemmungslose Verschwendung von Elektrizität zu verzichten. Der gleichen Elektrizität, die ihnen ihren neu gefundenen üppigen Lebensstandard ermöglichte.
Menschen, so scheint es, trennen sich nur ungern von ihrem Reichtum.
Stattdessen setzte eine
Weitere Kostenlose Bücher