Armageddon 2 - Das Menü
der Menge. Die Einsatzwagen kamen mit quietschenden
Bremsen zum Stehen. Beamte sprangen heraus. Sie trugen
ausnahmslos Kameras. »Wo ist die Frau mit dem Hummer?«,
fragte einer von ihnen.
»Das ist ein 1065«, sagte Jack Doveston. »Autodiebstahl. Ein
Wagen des City Hospital.« Rex war so gut wie sicher, dass Au-
todiebstahl ein 1047 war, doch im Wissen um das Gesetz der
im Vergleich zu einer Aktion immer schwächeren Reaktion
und weil er noch immer einen Groll gegen den erneuten Ver-
such eines Running Gags in sich verspürte, behielt er seine
Meinung für sich.
»Glauben Sie an Vorherbestimmung, Jack?«
»Dass alles von Anfang an festgelegt ist? Sie fahren auf der
falschen Straßenseite.«
»Tschuldigung.« Rex kurbelte am Lenkrad. »Und? Glauben
Sie?«
»Nein, tue ich nicht. Es ist eine Spitzfindigkeit, weiter nichts.
Sie erlöst einen Menschen von der Verantwortung für sein
Handeln. Ein grundlegender Fehler in der jüdisch-christlich-
moslemischen Religion. Ein Anathema zu sich selbst.«
»Vielleicht.«
»Da gibt es kein Vielleicht, Rex. Das fundamentale Prinzip
jeder Religion lautet, dass Gott alles sieht und alles weiß. Aber
wenn Gott heute schon weiß, wann Sie morgen frühstücken
werden und was – wo bleibt da der freie Wille des Indivi-
duums?«
»So einfach ist das nicht.«
»Ganz im Gegenteil. Haben Sie je die Werke von Hugo Rune
studiert?«
Res schüttelte den Kopf und überfuhr eine rote Ampel, was
eine Massenkarambolage zur Folge hatte und den gesamten
Verkehr auf der Kreuzung zum Erliegen brachte.
»Wenn Sie die Sirene einschalten, können Sie jede rote Am-
pel überfahren«, sagte Jack. »Also, Hugo Rune behauptet, dass
ein Ding umso einfacher wird, je größer es ist.«
Rex öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch Jack fuhr
ungerührt fort. »Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Die DNS
– betrachten Sie die DNS durch ein Elektronenmikroskop. Un-
glaublich kompliziert. Bis jetzt hat niemand herausgefunden,
wie sie aufgebaut wird. Aber setzen Sie alles zusammen, und
ein Mensch entsteht daraus. Sie wird einfacher. Sie können
feststellen, hier ist ein Mensch, und er ist groß oder klein, dick
oder dünn, gut oder böse und so weiter und so fort.«
»Möglicherweise irren Sie sich da.«
»Darauf komme ich gleich. Die Pyrrhonisten glauben, dass
echte Weisheit und wahres Glück nur möglich sind, wenn wir
kein Urteil fällen, denn es ist unmöglich, absolutes Wissen zu
erlangen, und absolutes Wissen ist Voraussetzung für ein kor-
rektes Urteil. Was könnte einfacher sein als das?«
»Könnte schwierig werden, diesen Leitsatz auf eine Gesell-
schaft anzuwenden. Sie sind vom Thema abgekommen, für
den Fall, dass Sie glauben, ich hätte es nicht bemerkt.«
»Nicht im Geringsten, Rex. Eine Gesellschaft, das ist noch
einfacher. Es mag vollkommen unmöglich sein, vorherzusa-
gen, was ein Individuum zu einem gegebenen Zeitpunkt tut
und wie es sich verhält, doch es ist das Einfachste von der
Welt, vorherzusagen, was eine Menschenmenge tut. Sie sieht
sich eine bestimmte Fernsehshow an, liest eine bestimmte Zei-
tung, isst eine bestimmte Marke Bohnen. Je größer eine Sache
wird, desto leichter ist sie auszurechnen.«
»Das klingt nur einfach.« Rex hielt unerwartet an, um eine
Obdachlose mit einem Einkaufswagen voller Plastiktüten über
die Straße zu lassen. Eine Nonne auf einem Fahrrad krachte in
das Heck des gestohlenen Krankenwagens, was vielleicht von
kosmischer Signifikanz war, vielleicht aber auch nicht. Jack
fuhr selbstbewusst fort.
»Es wird immer einfacher. Vergessen Sie die Menschen, ver-
gessen Sie die Gesellschaft. Betrachten Sie den Planeten selbst.
Was tut er letzten Endes? Er kreist einmal im Jahr um die Son-
ne. Was könnte einfacher sein als das? Und damit kommen
wir zu Gott.«
»Er ist ganz bestimmt nicht einfach.«
»Selbstverständlich ist er das. Er ist sogar das Einfachste von
allem. Entweder, er existiert und ist allwissend, oder er exi-
stiert überhaupt nicht. Und weil er nicht existiert, glaube ich
auch nicht an Vorherbestimmung. Damit ist der Fall erledigt.«
»Aber Gott existiert.«
»O nein, tut er nicht.«
»O doch, tut er doch.« Rex stieg auf die Bremse. »Sie sind ein
richtiger Sophist, Jack. Ihre Argumente sind rein rhetorisch.«
»Das ist Ihre Meinung, Rex. Ich fälle kein Urteil darüber.«
»Es gibt einen Gott. Den Gott.« Rex warf die Arme in die
Luft. »Glauben Sie mir. Ich
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