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Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Titel: Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Frank
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verteufeln. Sogar ihren großen Helden von einst, George W. Bush, exkommunizierten sie als Verräter an der Sache der Freiheit. Mit seinem Eingeständnis: »Ich bin von den Prinzipien des freien Marktes abgewichen, um das System der freien Marktwirtschaft zu retten«, erwies er ihrer Sache einen großen Dienst. Das Zitat wird für immer seinen festen Platz auf den Websites des rechten Aufstands behalten.
    Bush war jedoch nicht das einzige Hindernis. Damit die Rebellion einen Sinn bekam und die Schuld jenen zufiel, denen sie zufallen sollte, musste die gesamte Geschichte der vergangenen Jahrzehnte umgeschrieben werden. Dass die Kräfte der freien Marktwirtschaft sichseit Beginn der Siebzigerjahre in der ganzen Welt durchzusetzen begannen, wie es die Historiker beschrieben, sollte auf einmal nicht mehr gelten. Nun hieß es, der Sozialismus sei nie besiegt worden, nahezu sämtliche sogenannten konservativen Politiker jener Jahre seien eigentlich nur getarnte Linksliberale gewesen, und niemand (mit der alleinigen Ausnahme von Ronald Reagan) habe tatsächlich zu den Lehren der freien Marktwirtschaft gestanden. [10]
    Die Ära der regulatorischen Laxheit, die es überhaupt erst zur finanziellen Krise kommen ließ, wurde zum Tabuthema erklärt und quasi aus der Geschichte getilgt. Es konnte sie gar nicht gegeben haben, da die Konservativen wussten, dass die Progressiven und Kryptosozialisten beide Parteien kontrolliert und seit den Tagen von Woodrow Wilson bis zu jenen von Hank Paulson und Ben Bernanke alle verhängnisvollen Entscheidungen getroffen hatten.
    Das größte Kopfzerbrechen bereiteten die Banken der Wall Street. Sie waren einst als die Krone der Schöpfung der freien Marktwirtschaft gepriesen worden, glückliche Bienenstöcke, in denen die höchste Form des menschlichen Daseins brummte, der Börsenmakler. Die Bailouts machten sie zu den größten Wohlfahrtsempfängern aller Zeiten. Aber vielleicht war auch alles ganz anders gewesen? Vielleicht war die Schurkerei des Staates so groß, dass er den Banken die Bailouts als Mittel
aufgezwungen
hatten, um sie selbst zu übernehmen? Vielleicht waren die Banken die
Opfer
des schmutzigen Spiels der Politiker und nicht die Architekten der Bailouts? So wie Rick Santelli Börsenmakler zu amerikanischen Durchschnittsbürgern stilisierte, so machten manche nun aus den Banken die wahren Opfer der Krise.
    Nehmen wir zum Beispiel die berühmte Szene aus der Bailout-Saga, in der eine Delegation von Bankern nach Washington geladen wurde, wo ihnen ihr alter Kollege Hank Paulson das Angebot der Regierung unterbreitete, sie mit »kostenlosem Geld« (so sahen es nicht wenige Beobachter) wieder flüssigzumachen. Für den libertären Aktivisten Stephen Moore war dieser Vorfall das Gegenteil dessen, was er zu sein schien. Er empörte sich nicht darüber, dass derStaat den Schwachen das Überleben ermöglichte, sondern äußerte seine Solidarität mit den unterdrückten Bankern, die hier in den Staub getreten wurden.
    Sechs Bankpräsidenten wurden von Finanzminister Hank Paulson nach Washington zitiert und in einen Tagungsraum gepfercht, wo man ihnen sagte, dass sie erst wieder gehen könnten, wenn sie alle zusammen ein Papier unterschrieben hätten, dass der Regierung Prozentanteile zukünftiger Gewinne übertrug. Die Leute vom Finanzministerium betonten, diese Erpressung sei … »im öffentlichen Interesse«. [11]
    Verwirrung war an der Tagesordnung, und der Meister des Verwirrspiels war der Fernsehmoderator Glenn Beck. Mitten im Bonusskandal um AIG erklärte er im März 2009 beispielsweise seinen Zuschauern, AIG habe selbst Subprime-Hypotheken vergeben, weshalb die Wirtschaftskrise »nichts mit diesem Unternehmen zu tun habe«, sondern ganz und gar auf das Konto »der Taktierer in Washington« gehe, die, so die Legende der Rechten, die Finanzinstitute gezwungen hatten, all diese faulen Kredite auszugeben. [∗]
    Der Moderator hieb auch am nächsten Tag noch in dieselbe Kerbe, gab seiner Darstellung allerdings einen etwas anderen Dreh. Nun zeigte sich Beck selbst verblüfft darüber, dass ein »Pleiteunternehmen« (AIG) Millionen an Boni verteilte (korrekt) und dass im Zuge des Bailouts Geld an ausländische Banken geflossen war (ebenfalls korrekt). Sicher, die Boni seien eine Ungeheuerlichkeit, doch (und hier beginnt die Verdrehung) die Empfänger hätten darauf ein gewisses Anrecht gehabt, und außerdem hätten die Demokraten sie genehmigt. Die Demokraten seien hier die wahren

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