Armegeddon Rock
deren Haare modisch geschnitten waren, und die wenigen, die sie noch lang trugen. Es würde ein älteres Publikum als bei den meisten Rockkonzerten sein, das wußte er, voll von Leuten wie ihm selbst, voller Bambis und Froggys und Slums, die nach zu vielen Jahren der Trennung zum Feiern zusammengekommen waren, die sich noch einmal zusammengefunden hatten, um einigen Erinnerungen zu lauschen… oder vielleicht, ganz vielleicht, weil sie sich verirrt hatten und nach etwas suchten. Die Straße vor der Halle war ein Zoo. Ein Taxi nach dem anderen fuhr vor und entlud Fahrgäste. Wagen zogen im Schneckentempo vorbei, und aus den Fenstern hingen Frauen, die mit lautem Rufen herausfinden wollten, ob jemand Extrakarten hatte; sie stoppten, wenn einer der Schwarzhändler sich an sie heranmachte. Das Konzert war ausverkauft, es war innerhalb von Stunden, nachdem die Karten ausgegeben worden waren, ausverkauft gewesen. Die Doppelreihe der Konzertbesucher erstreckte sich bereits um den Block. Sandy sah noch eine Menge Bärte, ein paar Stirnbänder und hier und da eine Fransenweste. Da war eine Frau mit hüftlangem rotem Haar, deren Brust mit Buttons bedeckt war; Buttons für Kandidaten und Anlässe und Bands, die seit Jahren vergessen waren, mit Slogans, die längst keiner mehr skandierte. Sandy roch Gras, als er sich durch die Menge schob. Er zählte eine Menge Nazgûl-T-Shirts; das berühmte blaue T-Shirt mit dem Toten Hobbit von der 1969er Tour, das pechschwarze (jetzt ausgewaschene) Shirt mit nichts darauf als vier Paar roter Augen, das verschenkt worden war, um das Schwarze Album zu promoten, das normale blutrot bedruckte Shirt mit dem weißen Schriftzug und der Rißzeichnung und natürlich das neue Shirt, das Sandy mitentworfen hatte, in tiefem Purpur, der Farbe eines alten Blutergusses, mit der silbernen Aufschrift DIE NAZGÛL FLIEGEN WIEDER über einem Bild, das einen schwarzen Reiter als gestochene Silhouette vor einer aufgeblähten roten Sonne zeigte.
Er zeigte seinen Paß an der Tür vor und wurde eingelassen. Hinter der Bühne war das normale Chaos vor einem Auftritt, ungefähr um das Zehnfache multipliziert. Jeder schien irgendwohin zu rennen und zu schreien. Er fand Ananda hinten bei der Band. Sie saßen mitten in dem Durcheinander und bemühten sich, gelassen zu wirken. Rick Maggio, die Füße auf einem Stuhl, rauchte einen Joint. Er hatte immer noch etwas von einem Schwein an sich, obwohl er rund vierzig Pfund abgenommen hatte und die Strapaze sich in seinen Augen zeigte. Eine hübsche Blondine saß im Lotussitz wie ein treuer Hund zu seinen Füßen; von Zeit zu Zeit tätschelte er ihr den Kopf, und dann schaute sie zu ihm auf und belohnte ihn mit einem schiefen, rotlippigen Lächeln. Gopher John nuckelte an einem Bier und betrachtete sich finster in einem Spiegel. Er trug einen alten buntgefärbten Kittel, den er am Grund des Schranks ausgegraben haben mußte, in den er ihn vor fünfzehn Jahren geworfen hatte, und sein Bart war voll und wild geworden und machte sein Gesicht runder, als es war. Larry Richmond trug einen roten Jeansanzug und ein schwarzes Hemd. Seine langen weißen Haare waren frisch gewaschen und gebürstet, und sie sahen fahl wie Eis aus, wie ein gefrorener Wasserfall. Er setzte die Kontaktlinsen ein, die seine rosafarbenen Augen in ein lebhaftes, durchdringendes, dämonisches Rot verwandeln würden. Balrog schlief zu seinen Füßen.
»Wo ist Faxon?« fragte Sandy.
Ananda zuckte die Achseln. »Er ist den ganzen Tag rumgerannt, hat das Licht gecheckt und Reynard die Hölle heiß gemacht, mit Gort rumgemeckert und den Soundcheck überwacht. Will alles selber machen. Ich weiß nicht…«
Faxon kam stirnrunzelnd in die Tür. »Sie lassen sie jetzt rein«, sagte er. »Volles Haus. Das war’s dann.« Er sah die anderen drei Nazgûl an. »Die Proben waren vielleicht nicht das Beste, aber das war zum Üben, und dies hier ist echt. Wenn wir’s heute nicht alle zusammen bringen, ist es aus. Habt ihr das kapiert? Ihr alle? Rick?«
»Mach dir nicht ins Hemd, Mann«, sagte Maggio. »Wir sind cool. Es wird so glatt abgehen wie Babyscheiße, da kannst du einen drauf lassen. Das größte Scheiß-Comeback in der Geschichte des Rock and Roll. Reg dich nicht so auf.«
Sandy konnte erkennen, daß Faxon sein Temperament mit einer Anstrengung zügelte. Wirkliche Anspannung zeigte sich in jedem Zug dieses hübschen Surfer-Jungen-Gesichts. »Wenn du Scheiße baust, Rick«, sagte Faxon mit Bedacht, »dann komm
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