Arminius
übersetzte der Germane in römischen Diensten.
»Pass auf, Dummkopf! Der mit dir redet, ist der große Feldherr Tiberius. Verbeug dich vor ihm. Er fragt dich, ob du der Sohn des Segimerius bist.«
»Mein Vater heißt Segimer! Und nie werde ich den Nacken vor einem römischen Hund beugen!«, erwiderte der Junge trotzig.
Für die Respektlosigkeit fing er sich von seinem Bewacher einen derben Stoß in die Seite ein. Er zuckte zusammen, hustete, richtete sich aber gleich wieder auf. Er dachte an seinen Vater und sah ihn vor seinem inneren Auge leibhaftig vor sich, wie er in der Nacht den Eindringlingen entgegengetreten war und auch, was er wenig später mit den Legionären gemacht hatte. Bei diesen Bildern huschte dem Jungen ein geringschätziges Lächeln über die Lippen, das den Römern galt, die sich noch so sehr als die Herren der Welt aufspielen konnten und doch besiegbar waren.
Sogleich raunte ihm der feindliche Germane zu: »Segimer können die Römer nicht aussprechen. Deshalb heißt dein Vater bei ihnen Segimerius. Und wie heißt du?«
»Ergimer!«
Auf Tiberius Zeichen hin fesselten die Legionäre den Jungen, drückten ihm ein schmutziges Tuch als Knebel in den Mund und schleiften ihn in eines der Zelte. Er brauchte eine Weile, bis sich seine Augen an das Halbdunkel des Zeltes gewöhnt hatten. Außerdem war es darin stickig, weil die Römer die Eingangsfelle heruntergelassen hatten, die gewöhnlich nach oben geklappt waren, um frische Luft einzulassen. In der Hütte kauerten bereits andere Kinder, ebenfalls gefesselt und geknebelt. Als er die Angst in ihren unsteten Blicken sah, überwand er seine Furcht und seine Wut und blinzelte ihnen zu, um ihnen Mut zu machen. Kinder fesseln, das können sie, diese Hundskerle, dachte er grollend.
Längst hatte er das Gefühl dafür verloren, wie lange er nun schon so dasaß. Die Fesseln schnürten ihm inzwischen das Blut in den Armen ab. Und die Zeit verfloss im Grau des endlosen Wartens. Nach einer Ewigkeit spürte er eine Unruhe, die plötzlich im Lager anhob. Aufgeregte Stimmen erfüllten den Platz, Stimmen, die nach Kindern fragten oder riefen. Die Männer und Frauen waren bei der Rückkehr vom Thing durch die Anwesenheit der Römer überrascht worden und sorgten sich nun um das Leben ihrer Nachkommen. Schließlich hörte Ergimer die Stimme seines Vaters aus dem Sprachgewirr heraus. Segimer gebot den anderen zu schweigen, bevor er die Römer zur Rede stellte. Und wieder übersetzte der verfluchte Chatte: »Warum brichst du den Frieden?«
»Weil ihr ihn gebrochen habt. Ihr habt zwölf römische Soldaten gekreuzigt und die anderen erschlagen!«, erwiderte Tiberius barsch. Er wollte weder Zeit noch Worte verschwenden. Schon gar nicht mit einem Barbaren.
»Soldaten?«, höhnte der Vater. »Wie können Steuereintreiber Krieger sein? Wie Blutsauger Helden? Männer, die Kinder erschrecken und das Vieh töten?«
Ergimer fuhr bei einem Geräusch zusammen, das er inzwischen kannte: Schwerter wurden gezückt! Und er hörte, wie sein Vater spottete: »Welche Angst musst du erst vor meinem Schwert haben, wenn du schon vor meinen Worten zitterst!«
Jetzt vernahm Ergimer eine andere Stimme, die des Segestes, des Vaters von Elda. »Wir haben uns geeinigt, Imperator. Die Cherusker sind bereit, sich mit Rom zu verbünden. Wir sind auch bereit, Tribut zu entrichten.«
»Keine Steuern!«, forderte Segimer.
»Dann nennen wir die Steuern Tribut. Geschenke an Verbündete!«, entgegnete der Römer zynisch.
»Wo sind unsere Kinder?«
Offenbar auf einen Wink des Imperators hin betraten zwei Legionäre das Zelt, packten Ergimer grob und schleiften ihn hinaus. Wie er vermutet hatte, standen die zwölf cheruskischen Fürsten mit ihren Frauen den Römern gegenüber. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, dass andere Soldaten auch seinen älteren Bruder Germir herbeizerrten. Als Segimer seine Söhne sah, wollte er einen Schritt auf sie zu machen, wurde jedoch von gezückten römischen Schwertern daran gehindert.
Kurz und knapp teilte Tiberius dem zornigen Fürsten mit, dass er seine Söhne als Unterpfand für den geschlossenen Vertrag mit nach Rom nehmen würde. Die anderen Kinder befänden sich, gefesselt zwar, aber wohlauf, in den Zelten. Die Frauen hielt nun nichts mehr. Sie drangen in die Zelte ein, um ihre Kinder zu suchen. Der Feldherr ließ es geschehen, Frauen interessierten ihn nicht. Die cheruskischen Gefolgsherren aber verharrten in ihren Positionen, denn noch war nicht
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