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Arminius

Arminius

Titel: Arminius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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nicht fangen lassen. Niemals! Mit allen Kräften, die sein junger Körper hergab, trieb er sich an, bis er das Gefühl hatte, seine Lunge würde explodieren. Das Blut rauschte in seinen Ohren wie in einem Hexenkessel.
    Obwohl er laut keuchend atmete und seinen Puls schlagen hörte, vernahm er, dass sich die römischen Reiter ihm unaufhaltsam näherten, spürte gleich darauf den heißen Atem aus den Nüstern der Pferde in seinem Nacken und zwang sich zu einer letzten Kraftanstrengung. Gleich, er musste nur noch ein letztes Mal das Wunder vollbringen und schneller werden, gleich würde er das sichere Unterholz erreichen, nur noch ein einziges Mal rascher laufen, so wie Elda mit ihren flinken Füßen über die Wiese fliegen … da spürte er in seinem Nacken den harten Griff einer großen Hand, die ihn am Kragen hochriss und brutal auf den Pferderücken drückte. Er wollte sich wehren, doch der Mann war stärker und presste ihn nur auf den Leib des Tieres. Der Schweiß des Knaben mischte sich mit dem des Rappen, der wieder in den Galopp fiel.
    Ergimer kämpfte gegen die Tränen an. Der Sohn des Segimer, Nachfahre freier Cherusker, würde den römischen Hunden nicht die Freude bereiten, Angst zu zeigen, ganz gleich, was sie mit ihm vorhatten … und Gutes konnte es nicht sein.

5
    Obwohl er mit dem Bauch auf dem Widerrist des Pferdes lag und sein Kopf nach unten hing, fand Ergimer rasch heraus, wohin die Reiter jagten. Zu seinem Schrecken hielten sie auf das Lager der Cherusker zu, in dem sich zu dieser Stunde nur die Kinder der Stammesführer befanden, weil sich die Eltern auf dem Thingplatz berieten. Was hatten die Feinde vor? Wollten sie etwa die Söhne und Töchter der Fürsten als Geiseln nehmen? Der Junge traute es ihnen sogar zu, die Kinder niederzumetzeln. Er wusste inzwischen nur zu gut, dass die Legionäre vor nichts zurückschreckten, zumal die Kreuzigung ihrer Kameraden sie sicherlich bis aufs Blut gereizt hatte.
    Der Anführer zügelte den Rappen, der wiehernd mitten auf dem Platz des cheruskischen Zeltlagers stehen blieb. Ergimer verrenkte sich fast den Hals bei dem Versuch, sich umzublicken. Das Lager wimmelte zwar von Römern, aber nirgends sah er den Sohn oder die Tochter eines Cheruskerfürsten. Die Türfelle der Zelte waren heruntergelassen. Nichts erinnerte mehr an die freundliche Atmosphäre, die hier noch bis vor Kurzem geherrscht hatte. Lieder waren erklungen, die Knaben hatten sich im Speerwerfen geübt, ausgelassen herumgetollt, gescherzt und gespottet. Stattdessen nahm Ergimer jetzt nur die Atmosphäre der Gefahr und des Todes wahr, die von den Römern ausging. Angst schnürte ihm die Kehle zu.
    Ergimer fiel auf, dass einige Legionäre Bärte und sehr langes Haar hatten. Zudem trugen sie wollene Hosen und Schlauchhemden unter den Kettenhemden. Verräter, dachte er verächtlich, Ubier oder Chatten, die sich nicht schämten, den fremden Kriegsknechten als Hilfstruppen zu Diensten zu sein.
    Wie einen Sack Korn warf der Legionär den Jungen achtlos vom Pferderücken. Trotz des dumpfen Schmerzes, der ihn beim Aufprall auf dem Boden durchfahren hatte, sprang Ergimer sogleich auf die Füße und wollte fliehen, da hatte ein Chatte mit mächtigem, rotem Bart schon seinen Speer auf ihn gerichtet.
    »Bleib stehen, Bürschchen!« Mit aller Verachtung, zu der er fähig war, spie Ergimer dem Mann ins Gesicht. Der lief rot an vor Wut und holte mit dem Speer aus. Doch der Knabe, nicht weniger zornig, ballte die Fäuste und machte noch einen Schritt auf den Verräter zu – in dem Bewusstsein, dass ihn gleich Walachurrâ nach Tyrwal bringen würde. Für ihn, der vor wenigen Tagen schon einmal auf dem Weg dorthin gewesen war, hatte diese Vorstellung jeglichen Schrecken verloren.
    Doch bevor ihn die Spitze des pilum durchbohren konnte, hielt die befehlsgewohnte Stimme eines Römers, eines Mannes mit blitzendem Brustpanzer und golddurchwirkter Borte an der purpurnen Tunika, den Chatten zurück. Über seine Schultern lag locker der tiefrote Feldherrenmantel. Ergimer sah dem Germanen an, dass er nur widerwillig den Wurfspeer sinken ließ.
    Neugierig musterte er den Römer, der den Befehl gegeben hatte. Ein harter Kriegsherr, ein Gesicht wie verwittertes Feldgestein. In seinen braunen Augen aber las der Junge eine abgrundtiefe Traurigkeit. Der Römer näherte sich Ergimer und betrachtete ihn eindringlich. Dann sprach er zu ihm in der fremden Sprache, die das Kind nicht verstand. Wie es seine Aufgabe zu sein schien,

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