Arminius
alles besprochen.
Nur zu gern hätte Ergimer die Römer angebrüllt, dass er nicht nach Rom wolle, doch der Knebel hinderte ihn am Sprechen.
Segimer wandte sich an Segestes: »Warum meine beiden Söhne, warum nicht einen Sohn von mir und einen von dir?«
»Weil du derjenige von uns bist, der immer gegen den Vertrag war. Sogar auf dem Thing noch mussten wir dich überstimmen. Und weil du es warst, der die Legionäre gekreuzigt und damit Krieg und Tod über unsere Häupter gebracht hat. Dass deine Söhne in Rom sind, soll dich immer daran erinnern, den Vertrag treu einzuhalten.«
Segimers Gesicht lief rot an vor Zorn. »Bist du schon ein Knecht der Römer?«, fragte er mit gefährlich leiser Stimme.
»Nein, ein Freund, kein Knecht. Diese Freundschaft ist das Beste für unser Volk. Es wäre dumm, sich diesen mächtigen Nachbarn zum Feind zu machen, anstatt von ihm zu lernen und mit ihm zu handeln.« Dann lächelte Eldas Vater hintersinnig: »Du solltest mir danken, deine Söhne bekommen in Rom die beste Ausbildung, die man sich denken kann. Hör auf, in der Vergangenheit zu leben, Segimer! Eine neue Zeit ist angebrochen!«
Doch Segimer hörte ihm längst nicht mehr zu. Er wandte sich an Tiberius: »Gewähre uns zwei Tage Aufschub, damit sich meine Söhne von ihrer Mutter verabschieden können.«
»Wer sagt mir, dass du sie nicht verstecken wirst?«
»Du hast mein Wort, dass ich sie dir in zwei Monden an einen Ort bringen werde, den du bestimmst!«
»Warum sollte ich dir glauben? Nimm Abschied, Barbar!«
Atemlos hatte Ergimer den Wortwechsel verfolgt. Was er hörte, raubte ihm fast die Sinne. Er sollte seine Heimat verlassen. Man wollte ihn nach Rom bringen, weit weg von seinem Vater, seiner Mutter, seinen Freunden, und auch von Elda. Aber das würde sein Vater niemals zulassen. Niemals. Der Mann, der die römische Übermacht gefällt hatte, würde auch seine Söhne befreien. Ergimer klammerte sich an diese Hoffnung, und umso mehr er sich ihr hingab, umso ruhiger wurde er.
Segimer verabschiedete sich von Germir, dann trat er zu Ergimer, nahm ihm den Knebel aus dem Mund und umarmte ihn.
»Du wirst uns doch befreien. Nicht wahr, wir müssen nicht nach Rom?«, flüsterte der Junge hastig.
»Nein, mein Sohn, ich kann nichts tun … wir haben auf dem Thing Frieden beschlossen«, antwortete der Vater leise mit gebrochener Stimme.
Ergimer schossen die Tränen in die Augen, und er fühlte sich plötzlich leer, von seinem Vater verlassen, ja verraten. Er wandte den Kopf ab, weil er ihm nicht mehr in seine Augen sehen wollte. Ihm war, als stürze seine Welt ein. Plötzlich hörte er Eldas Stimme, die vom Wald herbeigelaufen kam.
»Nein, nein Vater. Das kannst du nicht zulassen!« Alle Augen richteten sich auf sie, und Ergimer schalt sie in seinem Inneren, denn er fürchtete, dass die Römer auch sie verschleppen würden. Mutig trat sie vor den Feldherrn und sagte: »Nimm mich statt Ergimer!« Der Chatte übersetzte.
»Pah, was soll ich mit einem Mädchen?«, sagte Tiberius und wandte sich ab. Segestes zog seine Tochter grob zu sich und brüllte sie an: »Was hast du dich da einzumischen?«
»Wir sind keine Römer, wir sind Cherusker, Vater! Wir alle, Männer und Frauen, Mädchen und Jungen! Jeder darf reden! So ist es Brauch!« Der Widerspruch seiner Tochter vor aller Augen reizte den Fürsten, und er ohrfeigte sie kräftiger, als er eigentlich gewollt hatte. Sie spuckte Blut.
»Ist das deine neue Zeit, dass die Frauen nicht mehr mitreden dürfen, Segestes?«, höhnte Segimer. Die Verachtung, die in den Worten mitklang, ignorierend befahl Segestes seiner Tochter barsch, zu ihrer Mutter zu gehen. Sie habe hier nichts zu suchen. Doch sie hörte nicht auf ihn. Ihre Blicke trafen sich mit denen Ergimers. Schnell huschte sie zu ihm und umarmte ihn. Dann nahm sie ihr Amulett ab, ein kostbares Amulett aus Bronze und Mondstein, und legte das Lederband, an dem es hing, um seinen Hals. »Es soll dich beschützen! Wo du auch sein magst! Ich bin bei dir.«
»Und ich bei dir!« Rasch löste auch Ergimer seinen Glücksbringer vom Hals, in dessen Gold ein seltsames Wesen eingeschlossen war, ein Schutzgeist, wie der Junge glaubte. Sie blickten an sich hinab auf ihre getauschten Amulette, die sie zum Schutz vor bösen Geistern und Verwünschungen trugen. Dann umarmten sie sich noch einmal, fest und fester, als ob sie so miteinander vollkommen verschmelzen könnten, dass nichts auf der Welt sie mehr zu scheiden vermochte.
In
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