Arminius
allen Zweifeln eine deutliches Ende setzen.
Bei der Versammlung hatte er allerdings verschwiegen, dass ihm Tiberius das römische Bürgerrecht angeboten hatte. Als römischer Bürger und Architekt des cheruskisch-römischen Bündnisses sollte es ihm endlich gelingen, der Erste unter den Fürsten seines Stammes zu werden. Segestes hatte es bei den Ubiern gesehen, dass der Friede zwar allen, zuallererst aber den Fürsten zugutekam, die sich nun römische Bürger und Bundesgenossen nennen durften. Sie waren Teil des Imperiums. Seine Enkel – das hatte er von den Galliern erfahren – würden eines Tages Könige sein und die Geschicke des Weltreiches mitbestimmen.
Seine Söhne taugten jedoch nicht allzu viel, da gab sich Segestes keiner Täuschung hin. Wäre seine Tochter als Mann geboren worden, könnte er seiner Nachfolge beruhigt entgegensehen. So aber richtete sich seine ganze Hoffnung auf seine künftigen Enkel. Um ihre Erziehung würde er sich persönlich kümmern, weil er sich von ganzem Herzen wünschte, dass sein Geschlecht römische Bürger und cheruskische Könige hervorbringen würde. Aus seinem Samen sollte ein Geschlecht mächtiger Herrscher emporsprießen.
Deshalb plante er schon jetzt voller Umsicht, wie er die Hirschleute Schritt für Schritt unter seine Herrschaft zwingen konnte. Er begann, seine Autorität aufzurichten und zu festigen und jeden Zweifel daran bereits im Keim zu ersticken, jeden Widerstand auszulöschen wie ein kleines Feuer auf der Lichtung, damit es sich, wenn Wind aufkommt, nicht zu einem Flächenbrand ausweitet.
Bei dem Gedanken an seine künftige Macht überkam den nüchternen Cherusker ein Gefühl des Stolzes: In dieser undurchsichtigen Lage war er, Segestes, der Einzige, der einen umfassenden Zukunftstraum in seinem Herzen barg. Sein Mut und Verstand würden ihm helfen, diesen auch zu verwirklichen.
Der Wald lichtete sich. Die nassen Stämme glänzten dunkel, der schwarzbraune Boden und der tiefgraue Himmel erinnerten ihn in ihrer ganzen düsteren Trostlosigkeit an das, was ihm bevorstand. Der Tod hauste in den Wäldern, und ihn führte er auf dem zweiten Pferd mit sich. Der Weg wand sich zu einem Gehöft hinauf. Um ein Langhaus verteilt lagen drei Wirtschaftsgebäude.
Diese Leute lebten wie Segimer mit ihren Tieren unter einem Dach. Segestes verabscheute diese altcheruskische Lebensform, so wie er Segimer hasste. Dieser stellte für ihn den Inbegriff des germanischen Drecks, des fleischgewordenen Widerstands gegen all seine Pläne dar. Ein Schmunzeln stahl sich auf seine Lippen, als er daran dachte, wie er seinen stärksten Gegner dazu gezwungen hatte, seine Söhne als Vertragsgeiseln zu stellen.
Aus dem Haus vor ihm drang Rauch. Sie erwarten die Rückkehr ihres Hausherrn, dachte Segestes und blickte sich mit einem bitteren Lächeln kurz zu dem Toten auf dem zweiten Pferd um. Der Tod macht, dass er ein guter Mann bleibt, dachte Segestes zynisch.
Er hielt vor dem Tor, band beide Pferde an einen Pfahl, lud sich den Toten auf den Rücken und betrat das Langhaus. Die Blicke der Menschen drückten erst Verwunderung aus, um dann gleich darauf in Schrecken umzuschlagen. Alle Augen wandten sich ratlos der Hausherrin zu, die gerade das Anrichten der Speisen beaufsichtigte. Sie löste sich aus der Gruppe der Frauen und kam auf Segestes zu.
Die Frau des Toten hatte flachsblondes Haar, große blaue Augen, Lachfältchen um Mund und Augen, und sie kugelte mehr, als dass sie ging. Ihre ganze Erscheinung drückte Fröhlichkeit und Lust aus. Man sah ihr an, dass sie Essen und Tanzen und lustige Geschichten liebte, sich gern mit ihrem Mann vergnügte und die Kinder mit derb-herzlicher Hand erzog. Mit jedem Schritt auf den Gefolgsherrn zu wurde sie jedoch langsamer und ihr Blick leerer. Abwehrend hob sie die rechte Hand mit der Innenfläche in Segestes’ Richtung, als könne sie dadurch dem Unheil wehren, das sie nun heimsuchte. »Was für ein grober Scherz, Gefolgsherr. Und du, Mann, komm her und hole dir deine Schläge für den unziemlichen Witz ab.«
»Er kann nicht. Er ist tot.« Jetzt stand sie vor ihm. Behutsam ließ Segestes den Leichnam seines Gefolgsmannes zu Boden gleiten. Alle traten hinzu und starrten fassungslos auf ihren toten Herrn. Seine Frau bückte sich zu ihm hinunter und strich ihm liebevoll eine Strähne aus der Stirn. Dann nahm sie seinen Kopf in ihre fleischigen Hände und küsste ihren Mann lange und innig auf den Mund, als könne sie dadurch neuen Lebenshauch in
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