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Arminius

Arminius

Titel: Arminius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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zentralen Heiligtums zu haben. Auch eignete sich der empfindsame junge Mann ohnehin nicht für die Herrschaft und den Krieg.
    Während des Zeremoniells wurden Segimund in einem schaurig-schönen Ritual die Arme mit Goldbändern umwunden, die zuvor in das Blut eines geopferten Stieres getaucht und mit Eichenlaub geflochten worden waren. Weitere Opferhandlungen folgten, die Elda tief beeindruckten. Seher weissagten die Zukunft aus dem Flug und Geschrei der Vögel und aus der Eingeweideschau geschlachteter Opfertiere. Selbstredend verwiesen alle Vorzeichen auf eine herrliche Zeit und eine große Zukunft.
    Der große Tag wurde gekrönt durch ein glanzvolles Fest, das der Statthalter für die römischen Edelleute und die germanischen Fürsten in seinem Haus ausrichtete. Selbst Segestes wirkte so unruhig wie ein Jüngling, der in den Kreis der Männer aufgenommen werden sollte. Die Aufregung steht ihm, dachte Elda, sie macht ihn jünger, umgänglicher, freundlicher.
    Alle, die sich an diesem Abend im Haus des Statthalters einfanden, gehörten der neuen Oberschicht der Provinz an. Es waren die mächtigen Männer und Frauen der Germania Magna, römische Beamte, Offiziere der Legionen und Hilfstruppen sowie germanische Fürsten. Die anwesenden Gefolgsherren hatten sich durch das Bündnis mit den Römern einen Vorteil gegenüber den anderen Fürsten ihrer Stämme verschafft. Und jeder von diesen Männern, die mit ihrer gewaltigen Statur, ihren langen Haaren – einige von ihnen, die Sueben, hatten allerdings das widerspenstige Haar in einen festen Knoten auf der rechten Stirnseite gezwungen –, mit wallenden Bärten, bekleidet mit Fellen oder Hosen und Hemden aus gefärbter Wolle, war entschlossen, diesen Vorteil rücksichtslos zu nutzen. Das mussten sie auch, denn sie waren zu weit gegangen, um auf halbem Weg stehen bleiben zu können – ihr Verhalten gegenüber den Römern rief unter den Germanen auch Widerspruch und sogar tödlichen Hass hervor.
    Wissend, dass er es mit Barbaren zu tun hatte, die nicht im Liegen aßen, hatte Saturninus statt der Speisesofas lange Tische an die Wände stellen lassen, deren intarsienverzierte Platten sich bogen unter Wein, Met, Wasser, Brot und den verschiedensten Braten, vom Eber bis zum Fasan. Eine kleine Gruppe von Flötenspielern musizierte, während sich ein paar etwas verloren wirkende Tänzerinnen zu den Klängen bewegten. Sklaven huschten hin und her, um den Gästen die Wünsche von den Augen abzulesen. Saturninus tat alles, damit das süße Gift des Luxus in die Adern der neuen germanischen Oberschicht drang.
    Während Segestes mit dem Statthalter, dem Ubierfürsten Ubulux und einigen anderen Gefolgsherren über Marbod sprach, den alle gleichermaßen als Bedrohung empfanden, schlenderte Elda neugierig durch die Halle, bewunderte die Wandmalereien, die Götter, Dämonen, Tiere und Menschen, die in einer schönen lindblauen Welt lebten. Unschuldig nackte Knaben hielten kleine Amphoren in der Hand, während über ihren Häuptern Delfine sprangen oder mit Schleiern bekleidete Mädchen sich wohlig in Bächen und Seen rekelten. Was sie sah, musste die wirkliche Welt sein, denn sie war um so vieles schöner als die Scheinwelt, in der die Cherusker ihr Leben fristeten. Keine Spur von Leid und Schmerz, von Kümmernissen und Angst fand sich in dieser römischen Wirklichkeit. Sollten die Menschen nicht befreit und unbeschwert leben dürfen, fragte sich Elda. Wer hatte nur die grauen Weiber Not, Pein und Sorge gezeugt? Und wozu?
    Warum hatte sie nicht mit Ergimer gemeinsam aufwachsen, ihn heiraten, Kinder mit ihm haben und ihre Tage im Kreis der Enkel und vielleicht sogar Urenkel nach einem satten und arbeitsreichen Dasein beschließen können? Warum mussten fremde Männer von weither kommen und ihn verschleppen? Weshalb durften sie so einfach in das Leben anderer Menschen eingreifen? Elda wusste zwar, dass es so war, aber sie verstand nicht, warum es so sein musste.
    Doch dann ergriff sie erneut der Zauber der Fresken. Woher kannte der Maler nur die wirkliche Welt? Je länger sie die Bilder mit den Augen liebkoste, desto mehr schwand jeder Zweifel, dass der Künstler die Vorbilder für sein Werk mit eigenen Augen gesehen hatte, weil er sie so überzeugend zu porträtieren verstand. Oder hatten ein Magier, ein Gott oder eine weise Frau die Bilder an die Wand gezaubert? Während Elda sich immer tiefer in den Einzelheiten der dargestellten Szenen verlor, trat ein junger Mann in Begleitung zweier

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