Arminius
Herz bis zum Hals. Sie zwang sich, ihre Aufregung zu verbergen, denn sie wollte sich nicht verraten.
»Hat dein großer Arminius auch einen germanischen Namen?«
Germanicus legte die Stirn in Falten. »Ja, warte mal, wie war der doch gleich … wir waren ja noch Kinder, als er seinen richtigen Namen bekam, warte, irgendetwas mit Egim … Igimir … Edimir …«
»Ergimer vielleicht?«
Als sie das Lachen in seinen Augen entdeckte, wusste sie, dass sie sich verraten hatte.
»Ja, Ergimer. Sag bloß, du kanntest ihn auch als Kind?«
»Nicht gut, etwas«, antwortete sie gespielt kühl, während in ihr alles jubelte, denn nun wusste sie, dass der Freund lebte. Aber gab es Ergimer denn wirklich noch, oder hatte er sich vollkommen verändert, sich in einen Römer mit dem merkwürdigen Namen Arminius verwandelt? Sicher war er in der langen Zeit ein anderer geworden. So einer vielleicht wie der Jüngling ihr gegenüber, ein junger, aufgeblasener Kerl, der meinte, ihm läge die ganze Welt zu Füßen. Allerdings spürte sie, dass er wirklich mit Ergimer oder Arminius befreundet war, denn seine Augen strahlten, als er von ihm sprach.
»Weißt du«, sagte Germanicus, »als mein Vater damals nicht weit von hier starb, hätte ich nicht gedacht, dass ein Germane einmal mein bester Freund sein würde. Aber so ist es, und so wie es mit uns kam, kann es mit allen hier werden.« Er berührte Eldas Schultern und drehte sie einmal im Halbkreis. »Na, was siehst du?«
»Römer.«
»Und?« Plötzlich bemerkte sie, dass ihr Vater sie die ganze Zeit beobachtet hatte. Sie konnte förmlich auf seiner Stirn lesen, was er dachte.
»Verräter!«, sagt sie kalt und wollte den erstaunten Römer stehen lassen, doch der hielt sie fest. »Der Verrat, meine Schönheit, ist das Fundament der Reiche. Nichts Großes in der Geschichte ohne Verrat.«
»Groß scheint mir nur deine Dummheit zu sein, größer aber noch deine Überheblichkeit!«
Elda riss sich los und spürte, als sie sich entfernte, seinen lächelnden Blick im Rücken. Sie wusste, dass sie zu grob gewesen war, aber sie wollte ihn nicht zu nah an sich heranlassen, den Freund des Arminius, diesen Mann, der offenbar nur zu gut wusste, dass er den Frauen gefiel. Ein eitler Schönling, sagte sie sich und verdammte ihn aus ihren Gedanken.
Noch in der Nacht erkundigte sich Germanicus bei Sentius Saturninus nach der jungen Frau. Er hatte sich nicht geirrt, es war tatsächlich Elda, und sie war wirklich etwas Besonderes.
»Ihr Vater sucht nach einem römischen Ehemann für sie.«
»Wieso das?«, fragte Germanicus barscher, als er wollte.
»Segestes wird König der Cherusker werden und will einen germanisch-römischen Enkel für sein Geschlecht. Wie ist es mit dir? Du heißt doch Germanenbezwinger, dann fang doch am besten gleich bei ihren Töchtern an, mein Freund.«
Zur gleichen Stunde stand Elda im Garten ihres Gastgebers. Ihre Familie schlummerte bereits. Doch sie war noch einmal aufgestanden. Sie wollte allein sein mit den Sternen, um die Unruhe in ihrem Herzen zu besänftigen. Der junge Mann ging ihr nicht aus dem Sinn, und auch nicht, dass Ergimer lebte, nur dass er jetzt Arminius hieß und weit, weit fort dem Römischen Reich diente. Wehmutsvoll erinnerte sie sich an die schöne Zeit, in der sie noch Römer und Cherusker gespielt und erbittert darüber gestritten hatten, wer der Cherusker sein durfte und wer den Römer geben musste. Sie hatte damals darauf bestanden, dass er den Römer geben würde, und nun war er, Arminius, der Römer.
Ein Geräusch riss sie aus ihren Gedanken. Etwas raschelte im Gebüsch. Sie wollte schon ins Haus flüchten, als eine Gestalt im fahlen Licht der Sterne vor ihr auftauchte und sie aus roten Augen anlachte.
»Ansar!«, rief sie voller Freude aus. Er legte den Zeigefinger auf die Lippen.
»Wo warst Du? Ich habe mir solche Sorgen gemacht.«
»Nehalenia brauchte länger für das Orakel. Und als ich zurückkam, erfuhr ich, dass ihr euch bereits auf den Weg zum Rhenus gemacht habt.«
Elda umarmte ihren Gefährten, drückte seinen Kopf an ihre Brust und fuhr ihm immer wieder durch das struppige Haar, glücklich, dass sie ihn wiederhatte. Innerlich leistete sie ihrem Vater Abbitte, weil sie ihn verdächtigt hatte.
»Was sagt Nehalenia?«, fragte Elda.
»Dass die Zeit der Prüfung gekommen ist!«
19
Er ritt den ganzen Tag, wechselte an einer Station der Reichspost nur kurz das Pferd und ritt die Nacht hindurch weiter. Am Morgen machte er Station in
Weitere Kostenlose Bücher