Arminius
Fischragout, Frikassee von Kriekenten, Hasenbraten und Brot aus Picenum. Gekrönt wurde das lukullische Mahl durch Pfauenzungen und Kämmen, die man lebenden Hähnen abgeschnitten hatte. Die Speisen wurden in unzähligen Silberschüsseln serviert, aus denen man sich mit den Fingern bediente, weshalb jedem Esser ein Sklave zugeteilt war, der eine Schüssel mit Zitronenwasser bereithielt, sodass man sich zwischendurch, sooft man wollte, die Hände säubern konnte. Mit der Nachspeise aus Honigkuchen und Obst lösten Tänzerinnen aus Andalusien die Transvestiten ab. Sie kamen aus Gades und ließen zum Klang ihrer Kastagnetten lüstern die üppigen Hüften erzittern.
Augustus sah eine ganze Weile zu, dann stand er auf. »Komm«, raunte er Germanicus zu. »Lass uns den angefressenen Speck durch einen Wettstreit wieder verlieren. Mir steht jedenfalls die Lanze.«
Obwohl Augustus stets und ständig die altrömischen Tugenden und die Ehe pries, nahm er selbst es mit der Treue nicht so genau. Sein Verlangen machte nicht einmal vor den Frauen der Senatoren halt. Der Princeps, der wie immer mäßig gegessen und sparsam getrunken hatte, ging zu den Tänzerinnen und winkte zwei von ihnen zu sich. Er achtete darauf, dass Germanicus ihm folgte, als er in den hinteren Gemächern verschwand.
Gegen Mitternacht kehrte Germanicus nach Hause zurück und begab sich sogleich zu seinem Zimmer, aus dem seltsamerweise Licht drang. Nach all dem Essen, Trinken, Plaudern und dem kleinen Liebesspiel im Anschluss war er rechtschaffen müde und verspürte keine Lust auf ein Gespräch jedweder Art. Er sehnte sich nur noch danach, auf sein Bett zu fallen.
Am Tisch in seinem Zimmer, auf dem ein Öllicht brannte, saß eine junge Frau und las in einem Buch, wahrscheinlich in den Elegien des Ovid, denn dieses hatte er dort liegen gelassen. Sie trug ein weißes Seidenkleid, unter dem sich ihr schneeweißer Körper abzeichnete. Römisch makellos. Ihre dicken, schwarzen Haare wurden nur unzureichend von einem goldenen Band zurückgehalten. Überall lugten lockige Strähnen hervor – wie eine Schar schwarzer Wolfshundwelpen, die nicht zu bändigen sind, dachte Germanicus. Um den Hals trug sie eine Kette aus Perlen, in deren porzellanenem Weiß sich das warme Gelb des flackernden Öllämpchens spiegelte. Sie musste ihn im Rücken gespürt haben, denn sie wandte sich um und stand vom Stuhl auf. Ihre großen, runden Augen schimmerten in verführerischem Schwarz. Er erkannte sie sofort wieder: Sie hatte die treuen Augen ihres Vaters Agrippa und die schöne Gestalt ihrer Mutter Julia. Vor ihm stand Agrippina.
»Eigentlich kennen wir uns ja gar nicht«, sagte sie. Ihr Lächeln war scheu und doch auch ein wenig beherzt, wie wenn jemand sich selbst Mut macht.
Germanicus’ Müdigkeit war mit einem Mal verflogen. »Und was wir voneinander wissen, ist auch nicht eben viel«, sagte er.
»Und dennoch sollen wir bald Mann und Frau sein.«
»Wir sind Römer.«
»Das ist es, was ich wissen möchte. Willst du die Frau oder die Römerin heiraten?«
»Die Frau kenne ich doch noch gar nicht.«
Sie band ihren Gürtel ab, das Kleid glitt zu Boden.
»Dann solltest du die Frau kennenlernen.«
Mit der Ruhe war es ganz und gar vorbei. In der Nähe des Gehöfts hatte man ein niedriges, langes Holzhaus errichtet, in dem die Sklaven untergebracht waren, die Lucius Marcus Lupus dem cheruskischen Fürsten Segestes zur Verfügung gestellt hatte. Löcher und Gräben rissen Wunden in den Boden um das Anwesen. Rhythmische Axtschläge hallten aus dem Wald, aus dem kräftige Bausklaven eifrig Stämme herbeizogen. An zwei Stellen ließ sich schon erkennen, dass hier großzügige Wehrgräben und eine Wehrmauer entstanden. Unterkünfte und Wirtschaftsgebäude wurden errichtet und die Wohnhalle des Fürsten vergrößert. Mit einem Wort, Segestes baute eine Burg.
Elda missfiel diese Geschäftigkeit von Tag zu Tag mehr – ihr Zuhause verlor sein vertrautes Gesicht. Sie lief mit Ansar tief in den Wald und ließ sich von ihm allerlei Kräuter und Pflanzen erklären, um nicht dabei zusehen zu müssen. Als sie zurückkehrte, entdeckte sie die Sänfte des Steuereintreibers mit seinen Tragesklaven und ein paar Bewaffneten, ausgedienten Legionären, die ihn beschützen sollten. Ansar und sie waren noch ein Stück weit entfernt, da rief ihr der Vater schon, gegen den Lärm der Bauleute anbrüllend, zu: »Komm, wir haben Besuch.«
»Verrecken soll er, der römische Hund!«, presste Elda
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