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Arminius

Arminius

Titel: Arminius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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hatte. Der große Mann, der eben noch ein Dutzend Legionäre eigenhändig gekreuzigt hatte, kuschte nur wenig später vor den Römern. Wollte er Segimer überhaupt wiedersehen, den er wie niemanden auf der Welt geliebt und der ihn wie kein anderer verraten hatte?
    Der herbeigerufene Kapitän versicherte dem Statthalter, dass er den Fluss gut genug kenne, um das Schiff auch mit geschlossenen Augen sicher durch die Untiefen zu steuern.
    Einen Tag später legten sie in der Stadt der Ubier an. Die Regenwolken verzogen sich, und vorsichtig blinzelte die Sonne hervor. Bürger, Legionäre und natürlich Sentius Saturninus, den Varus ablösen sollte, hatten sich an der Anlegestelle eingefunden, um dem neuen Statthalter einen würdigen Empfang zu bereiten. Arminius erkannte schon von Weitem, dass Saturninus von Velleius Paterculus begleitet wurde, und freute sich sehr über das Wiedersehen.
    Quinctilius Varus sah selbstverständlich blendend aus. Er trug eine purpurfarbene Toga, eine schwere goldene Kette um den Hals und um die Handgelenke diamantenbesetzte Ringe, die das noch scheue Sonnenlicht reflektierten. Glanzvoll, dachte Arminius, doch etwas zu protzig. Unzählige Locken und Löckchen zierten den Schädel des Statthalters. Bereits Stunden vor der Ankunft hatte er sich von seinen Sklaven waschen, rasieren, frisieren und ankleiden lassen. Damit alles perfekt zusammenpasste, hielt er sich einen besonderen Sklaven: einen Transvestiten als Stilberater.
    Arminius dagegen hatte vor Aufregung die ganze Nacht kein Auge zugetan, sondern versucht, so viele Erinnerungen, wie er nur vermochte, aus den Tiefen seines Unterbewusstseins zu fördern. Immer wieder stieß er dabei an die Mauer des Verdrängten, doch sein Wille war ein starker Rammbock, der sie zum Bröckeln brachte. In Rom war er ein Römer gewesen, was auch sonst? Aber hier? Plötzlich wusste er nicht mehr, wer und was er war. Römer? Cherusker? Ergimer? Julius Cäsar Arminius? Ein verratenes Kind? Ein exzellent gebildeter und erfolgreicher junger Mann?
    Unsicher, als würde jeden Augenblick etwas Wunderbares oder Entsetzliches geschehen, folgte er dem Statthalter im Abstand einer Armlänge. Arminius betrat die Heimat, als balanciere er über ein Pflaster aus rohen Eiern.
    Varus blieb kurz stehen und ließ seinen Blick mit einem unverkennbaren Ausdruck von Hochmut über die Stadt am Ufer des Rhenus streifen. »Ein deprimierendes Provinznest. Höchste Zeit, dass ich komme, um aus diesem Ort, der selbst zu armselig für einen Verbannungsort ist, eine römische Stadt und aus dem umliegenden Haufen von Dreck und Mist eine römische Provinz zu machen.«
    Im Bewusstsein seiner unaussprechlichen Würde und der Größe der Aufgabe, die man ihm, Quinctilius Varus, übertragen hatte, schritt er auf seinen Vorgänger zu. Was er zu Arminius gesagt hatte, hatte er zum ganzen Erdenrund gesagt, wie immer. Deshalb erwartete er auch keine Erwiderung, auf die er zudem vergeblich gesetzt hätte, denn Arminius entdeckte in diesem Moment in einiger Entfernung zum Fluss etwas, das sein Herz höher schlagen ließ. Der Anblick war so einfach und gleichzeitig so überraschend – eine Wiese, die über und über mit Schneeglöckchen und Krokussen bedeckt war.
    Bei den Cheruskern endete die böse Zeit unwiderruflich, sobald sich diese Frühlingsboten durch die scharfkantigen und dünnen Eisfetzen und schmutzigen Schneereste drängten, um von der Wiederkunft des Gottes Baldr zu künden, der Sonne, Licht und den Frühling brachte. In Rom hatte Arminius bis auf eine Ausnahme immer nur drei Jahreszeiten erlebt: Frühling, Sommer und Herbst. Ein Winter, wie er ihn als Kind gekannt hatte, war den Römern fremd, was sie Winter nannten, konnte eher als eine Mischung aus Herbst und Frühling gelten. Schnee hatte er in all den römischen Jahren nur ein einziges Mal gesehen. Varus nahm die Wiese mit der Botschaft des erneut einsetzenden Lebens nicht einmal zur Kenntnis. Aber wie konnte man den zarten Frühling genießen, wenn man den Winter nicht in all seiner Härte erlebt hatte?
    Saturninus begrüßte seinen Nachfolger freundlich, stellte ihn Velleius vor, der sich als Legat um die Truppen kümmerte. Velleius konnte seine Freude über das Wiedersehen mit Arminius nur mühsam zügeln. Er zwinkerte ihm zu und trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Und das«, mit diesen Worten wandte sich Varus zu Arminius um und legte ihm gönnerhaft die Hand auf die Schulter, »ist der Ritter Julius Cäsar Arminius, der

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