Arno-Linder 1: Papierkrieg
Meister mit Schwarz alle Farben darzustellen vermag. Das Wiener Wetter vollbringt das Gegenteil, alle Farben werden grau.
Der Sand knirschte nass unter meinen Sohlen, als ich den Gartenweg zum Haus der Meyerhöffers entlangging. Ich hatte nicht geklingelt und schlich mich zur Hintertür. Dort klopfte ich leise und hoffte, dass das Hausmädchen auch samstags da war.
Die Küchentür öffnete sich und Ivanka lugte hervor. Ihr brünettes Haar war zu einem Pagenkopf frisiert, der ihre schöne Kopfform hervorhob. Passend zu ihrem stolzen Haupt trug sie einen Hals, der einer japanischen Schönheit aus dem Sengoku Jidai Ehre gemacht hätte. Zwei kleine Jadekugeln baumelten an einer dünnen Silberkette von ihren Ohrläppchen. Passend zu den Steinen trug sie eine milchiggrüne Bluse und einen Rock in hellem Beige.
»Sie haben nicht geläutet«, begrüßte sie mich.
»Und Sie arbeiten samstags?«
»Nicht alle von uns sind reiche Universitätsprofessoren.«
»Weder noch. Darf ich reinkommen? Sie haben mich das letzte Mal zu einem Kaffee eingeladen und ich würde gerne auf das Angebot zurückkommen.«
»Sie haben damals abgelehnt, die Einladung war nicht auf einen anderen Zeitpunkt übertragbar. Außerdem würde das meine Herrschaft nicht gerne sehen.«
»Die sind doch sowieso auf einer Veranstaltung.«
»Wenn ich allein bin, darf ich Sie erst recht nicht hereinlassen.«
»Die Tochter ist nicht zu Hause?«
»Doch.«
»Dann sind Sie auch nicht allein.«
Sie lächelte schelmisch, trat zurück und öffnete die Tür. Ich trat ein und wir setzten uns an den Küchentisch. Die Küche war geräumig, über den Arbeitsflächen ließen großzügige Fenster viel Licht herein. Es war hell und sauber. Der ganze Raum war gefliest, die Schränke aus hellem Holz und etliche wohlgepflegte Grünpflanzen sorgten für ein angenehmes Raumklima. Kurz, ein Ort zum Wohlfühlen.
Ivanka machte Kaffee und wir flirteten ein bisschen. Mir wurde sogar noch ein Teller Krautfleckerln serviert. Mochte Ivanka beim Thema Kaffee durchaus einige Schwächen aufweisen, die Krautfleckerln ließen diese vergessen.
Das Kraut war dünn gehobelt und sorgsam angeschwitzt. Nicht in Sonnenblumenöl, sondern in Butter. Das Kraut war süß, mit ein wenig Paprika und viel Pfeffer gewürzt, wobei eine leichte Essignote den Aromen die nötige Spannung verlieh. Der Speck, in winzige Stücke geschnitten, besaß die obligaten Rauchnoten und rundete mit ein wenig Knoblauch das Ganze ab. Die Fleckerln waren ideal gekocht, kein Nudelmatsch, aber auch nicht al dente. Ich hatte sogar noch einen Löffel Sauerrahm auf den Tellerrand bekommen. Meine Großmutter hätte es nicht besser gekonnt.
Nachdem ich ihr für das Essen gedankt hatte, lenkte ich das Gespräch auf ihre Arbeitgeber.
»Die Frau Doktor ist sehr still, sehr nett. Sie liebt Blumen und Pflanzen. Ihr Mann ist fast nie da, er ist sehr streng und böse.«
»Die Kinder?«
»Sie haben nur eine Tochter. Sie benimmt sich gegen ihre Mutter unmöglich, sie ist da ganz wie ihr Vater.«
»Haben die beiden ein gutes Verhältnis?«
»Ich glaube nicht. Ich sehe fast nur die Frau Doktor, der Herr Doktor ist so gut wie nie da und die Tochter genauso wenig, sie sehen sich kaum. Und sind auch nicht traurig deswegen.«
»Was arbeitet die Kleine eigentlich?«
»Nichts.«
»Studiert sie?«
»Weiß ich nicht, wäre mir nicht aufgefallen.«
»Du hast gesagt, dass sie zu Hause ist?«
»Ja, aber sie ist in ihrem Zimmer, vielleicht schläft sie noch.«
»Werd mal nachschauen.«
»Nicht, sonst gibt’s Ärger für mich.«
»Setz dich ins Auto und geh einkaufen, so kannst du nichts dafür. Gib mir eine Stunde.«
»Gut.«
»Wo schläft sie?«
»Im oberen Stock, das Zimmer ganz hinten links.«
Sie war ein wenig sauer und ich konnte ihr das auch nicht verübeln. Aus der Küche führte die Tür direkt ins Esszimmer, einem weiß gestrichenen Raum mit hellem Parkett und einer Tafel für acht Personen. Von dort aus ging es ins Wohnzimmer, einen Raum von geschätzten 95 Quadratmetern, mit dunklen Deckenbalken, großen Fenstern und schwerem Mobiliar. Eine offene Feuerstelle war gleichermaßen vorhanden wie eine vollgeräumte Bücherwand. Auch hier fanden sich ein paar Topfpflanzen. Was mir aber besonders ins Auge stach, war der Globus, ein wahres Prachtexemplar. Ein handbemalter Glasball mit gut 55 Zentimetern Durchmesser, einem Standfuß aus Teak und einem Gradbügel aus Sterlingsilber. Die Weltkugel stammte vermutlich noch aus der
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