Arno-Linder 1: Papierkrieg
salbungsvollen Blödsinn verzapfen wollte, zuckte ich nur mit den Schultern und ging voran die Treppe hinauf.
Oben angekommen öffnete ich die Tür mit dem neuen Schlüssel und wir traten ein. Nachdem ich die Wohnung inspiziert hatte, stellte sich die angerichtete Verwüstung als nicht so schlimm wie befürchtet, aber lästig genug heraus.
Wohl waren meine Bücher auf den Boden geworfen und die Schränke geöffnet worden, aber mangels Inventar ließe sich die Unordnung wohl recht bald beheben. Einzig meine Plattensammlung hatte ernsthaft gelitten. Die Scheiben waren aus den Hüllen genommen, auf dem Boden verteilt und einfach liegen gelassen worden. Die meisten waren unter dem Druck beschuhter Sohlen zerbrochen, nur wenige noch intakt, und diese zumeist schlimm verkratzt. Der Schmerz saß tief, aber ich hatte mich wohl ins Unvermeidliche zu fügen und den Verlust zu akzeptieren. Vielleicht kämen im Laufe der nächsten Jahre Gelegenheiten, die Sammlung wiederherzustellen.
Das Einzige, was wohl viel Zeit erfordern würde, waren meine Erinnerungs- und Notizzettel in meinen wissenschaftlichen Büchern. Die Bücher waren geöffnet und die Zettel herausgeschüttelt worden. Mit einem Schlag war so ein Gutteil der Ergebnisse meiner Arbeit der letzten 15 Jahre zunichte gemacht worden. Es würde Wochen brauchen, um wieder Ordnung hineinzubringen. Während ich noch ein wenig in meiner Wohnung herumschnüffelte, saß Laura auf dem Ohrensessel mit dem abgewetzten roten Samtbezug, auf dem ich gewöhnlich Musik höre, und trank in kleinen Schlucken ihr Bier.
Der Kontrast zwischen ihrer makellosen Erscheinung, dem dunkelblauen Businesskostüm und dem 16er Blech in ihrer Rechten war vor dem Hintergrund meiner verwüsteten Substandardwohnung sehr stimulierend. Fast hätte die Szene das Sujet für ein Werk des fantastischen Sozialrealismus abgeben können.
»Sollen wir ausgehen? Du könntest anschließend bei mir schlafen, hier wär es kein Wunder, wenn dich das heulende Elend holen würde.«
»Nein danke. Nach dem Häfn muss ich erst wieder runterkommen. Ich bleib zu Hause.«
»Soll ich bleiben oder willst du lieber alleine sein?«
Eigentlich wäre ich lieber alleine gewesen, aber es galt noch ein paar Fragen zu stellen. »Bleib nur, wär schön.«
Sie blickte mir verliebt in die Augen. Eine eiserne Faust fasste mir ans Herz. Die zu belügen, die man liebt, ist das Schwerste am Leben.
Ich schluckte die Schuld mit dem letzten Bier in meiner Dose, einem ausgerauchten, fade-saurem Rest, hinunter und setzte mir einen Tee auf.
Bis das Wasser kochte, räumten wir so gut auf, wie es nur irgendwie gehen mochte. Die Platten und das zerbrochene Geschirr warfen wir einfach weg. Stellten die Bücher zurück ins Regal, rückten die Möbel zurecht und pfefferten meine verstreuten Exzerpte und Notizen auf den Schreibtisch. Gott sei Dank hatte ich keine Studentenarbeiten zu Hause, das hätte unangenehm werden können. Als das Wasser kochte und ich kurz durchgefegt hatte, ging es wieder einigermaßen. Ich schenkte den Tee ein und wir ließen uns auf meine Schlafcouch sinken. Der erste Schluck Tee reinigte meine Seele und nach den nächsten zwei Tassen war ich wieder soweit gefestigt, dass ich klar denken konnte.
»Wie hast du mich eigentlich gefunden?«
»Du hast mich nicht angerufen. Da war ich zunächst sauer. Dann hab ich mir, wegen der Geschichte, in der du drinsteckst, ein bisschen Sorgen gemacht. Deswegen herumtelefoniert, aber nichts rausbekommen.«
»Du hast bei Bender angerufen?«
»Jein, bei Fred.«
»Mhm, und dann?«
»Die wussten auch nichts. Heute Morgen hab ich in der Zeitung von dem Mord gelesen und dass ein Verdächtiger am Tatort verhaftet wurde. Der hatte deine Initialen.«
»Und wie hast du mich rausgekriegt?«
»War leicht. Nach all den Pannen der letzten Zeit wollte der Staatsanwalt, den ich auch so recht gut kenne, nicht schon wieder einen Unschuldigen ein halbes Jahr oder länger in U-Haft lassen. Ich musste nur ein paar unerfreuliche Schlagzeilen erfinden und du warst draußen.«
»Du musstest keine Kaution stellen?«
»Nein, das war nicht nötig. Er hat mir einfach geglaubt, dass keine Verdunkelungsgefahr besteht. Wenn’s geht, tauch nicht ab. Wär nicht gut für meinen Ruf.«
»Keine Sorge, ich bin anständig und dankbar.«
»Und blöd.«
»Warum?«
»Wer lässt sich denn am Tatort eines Mordes erwischen, noch dazu von der österreichischen Polizei? Was hattest du eigentlich dort zu suchen?«
»War
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