Arrivals: Fürchte die Unsterblichkeit (German Edition)
noch eine Patrouille. Etwas zu töten, klang entspannend.
Vorher jedoch musste er das Verrot in sein Zelt bringen, aber bleiben konnte er dort nicht. Er musste nach Hector schauen – oder vielleicht klammerte er sich nur an diesen Vorwand, um der Realität nicht ins Auge zu sehen: Er würde weder bald noch tief schlafen können. Vielleicht auch gar nicht. Wäre Mary noch am Leben, dann wäre das weniger ein Problem gewesen.
Seit ihrem Tod hatte er das Gefühl, dass er stärker trauern sollte, als er es tat, weil sie ein Verhältnis gehabt hatten. Aber das wäre eine Lüge gewesen, und Mary und er waren sich zu Beginn ihres Arrangements einig gewesen, so etwas nicht zu pflegen. Keiner von ihnen hatte sich Illusionen darüber gemacht, was sie waren. Manchmal wünschte er sich, sie hätten es getan. Schon viel zu lange empfand er nur noch körperliches Verlangen nach anderen. Er mochte seine kleine Schwester und respektierte Edgar in einem Maß, das an eine Art Zuneigung grenzte. Doch in letzter Zeit schien das nicht genug zu sein. Er wollte etwas empfinden, etwas außer dem Job wichtig finden. Und wenn er ehrlich zu sich wäre, müsste er zugeben, dass er manchmal den Verdacht hegte, dass er sich nur aus Gewohnheit etwas aus seinem Job machte.
Die Sache, das Ideal, das ihn einst angetrieben hatte, war der, wenn auch schwache, Glaube daran gewesen, dass sie ihre Lage verbessern konnten, indem sie das Richtige taten. Leider glaubte er seit Jahren nicht mehr daran. Nichts, was er sagte oder tat, machte einen Unterschied. Er war sich ziemlich sicher, dass sie bis zu ihrem endgültigen Tod hierbleiben würden; er konnte das nur den anderen nicht eingestehen. Obwohl er an nichts glaubte, tat er so, weil sie sich so an etwas klammern konnten. Das Einzige, woran Jack noch aufrichtig glaubte, war, dass er sein Bestes tun würde, um für die kleine Gruppe zu sorgen, die ins Wasteland geraten war.
An manchen Tagen war Jack sich nicht sicher, ob er überhaupt wissen wollte, warum sie alle im Wasteland gelandet waren. An anderen Tagen sehnte er sich nach der Antwort wie ein Säufer nach einem letzten Drink. Die Fragmente der Wahrheit, die er bisher erfasst hatte, waren nicht beruhigend. Aber er konnte den Versuch nicht aufgeben, ihrem eigenartigen Los Sinn zu geben. Zu Hause in Kalifornien war er kein besonders gottesfürchtiger Mann gewesen. Wäre er jemand gewesen, der zur Beichte geht, hätte er vielleicht sogar zugegeben, dass er gegen die meisten Gebote verstoßen hatte. Wiederholt.
Er hatte auch nicht gerade ein gutes Beispiel gegeben. Es war seine Schuld, dass Katherine zu spielen begonnen und schließlich in einem Saloon gearbeitet hatte. Ohne seine Versäumnisse wären solche Angewohnheiten gar nicht ihre Art gewesen. Er hatte sie nicht beschützt, hatte nicht dafür gesorgt, dass sie in einer guten Stellung unterkam oder heiratete, wie es einer Dame zustand. Stattdessen hatte er Katherine, als seine Eltern gestorben waren, mitgeschleppt wie ein Gepäckstück. Und schlimmer noch, er hatte sie hierher ins Wasteland gebracht. Sie hatte sich an seinem Arm festgehalten, als er in einer feuchten Gasse in Kalifornien gestanden hatte, und als Nächstes hatten sie sich in einer merkwürdigen neuen Welt wiedergefunden. Oft fragte er sich, ob seine Verfehlungen die Aufmerksamkeit eines Gottes oder Teufels auf sich gezogen hatten, der sie beide aus ihrer Heimat vertrieben und in diese Welt, in der Monstrositäten umherzogen, versetzt hatte. Und er hatte nach mehr als zwei Jahrzehnten immer noch keine Ahnung, wie er ihre gemeinsame Zukunft verbessern konnte.
Als Jack zum Wachposten zurückkehrte, konnte Hector seinen verblüfften Blick kaum verbergen. Er gehörte zu den einfachsten Mitgliedern ihrer Gruppe, wurde schnell wütend und lachte schnell wieder. Hector zog im Wasteland eine andere Art von Aufmerksamkeit auf sich als der Rest des Teams; größtenteils weil seine drahtigen Muskeln über und über mit Tätowierungen geschmückt waren. Diese Kunst des Körperschmucks kannte Jack von zu Hause nicht, doch im Wasteland war sie verbreitet. Hier trug jeder Bloedzuiger ein Rudelzeichen, und viele Mitglieder des Mönchsordens hatten Symbole tätowiert. Andere Wastelander trugen Stammeszeichen oder Auszeichnungen auf der Haut. Bei den Arrivals waren Tätowierungen allerdings selten – aber Hector benutzte seine Kunst gern, um das Unbehagen zu lindern, das die eingeborenen Wastelander gegenüber den Arrivals empfanden.
Er lehnte
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